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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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öden Leuten führen zu müssen. Da sitzt sie lieber mit mir im Zug.
    »Findest du, ich lebe in Sünde?«, fragte sie mich eben im Zug, während wir unseren Sekt tranken und schon wieder mit dem Zugbegleiter flirteten.
    »Ach was, Marie, du bist so, wie du bist«, tröstete ich sie. Aber ich glaube, sie hätte gern gehört, dass ihr Leben eine einzige Sünde ist. Sie hat immer wieder nachgefragt. Sogar, ob sie meiner Meinung nach in die Hölle komme, wollte sie wissen. Ich habe ihr versichert, dass sie doch nur immer lieb zu allen Menschen ist und dass man für so was nicht in die Hölle kommt. Das schien sie zu enttäuschen. Ich glaube, sie wollte von mir hören, dass sie ein durch und durch schlechter Mensch ist, der mit Sicherheit in der Hölle schmoren wird.
    Da würde sie nämlich ihre ganzen Liebhaber alle auf einen Schlag wiedertreffen. Und sich vermutlich blendend amüsieren.
    Als wir ankamen, stand Ludger am Bahnhof. Er hatte kein blassblaues Hemd an, sondern zur Feier des Tages ein großkariertes Flanellhemd in Dunkelgrün-Hellgrün gemustert. Dazu trug er braune Stoffhosen und graue Schnürschuhe mit Specksohle. Er sah wie immer völlig uncool aus und ich fragte mich erneut, wieso ich, wenn überhaupt, nur das von den Männern bekomme, was in der Filtertüte oben schwimmt. Sein Adamsapfel vollführte wahre Loopings vor Aufregung und Glück, zwei Frauen wie uns in Empfang nehmen zu dürfen. In der Hand hielt er eine gelbe Rose und eine rote. Nachdem er ungeschickt unsere Koffer an sich gerissen hatte, versuchte er, uns die Rosen zu überreichen. Für Marie war die gelbe Rose und für mich die rote. Da er die Hände mit den Koffern voll hatte, stemmte er die Rosen mitsamt Koffern zu uns empor. Es war eine hilflose Geste ungeschickter Unmännlichkeit. Ach Gott, der ganze schlappe Leptosom ist eine einzige Verwirrung der Natur.
    Ich nahm ihm dann meinen Koffer wieder ab, damit er sich überhaupt fortbewegen konnte.
    Er wuchtete unser Gepäck in seinen blassblauen VW-Käfer, in dessen Kofferraum es eng und stickig war. Außer einem Reservereifen und einer verbeulten Sporttasche passt eben überhaupt nichts in so einen VW-Kofferraum. Mein Koffer wurde deshalb auf den Rücksitz gestemmt, wobei der Adamsapfel von Ludger Thiesbrummel fast aus dem Flanellhemd sprang vor Anstrengung. Hinten war es dann so eng neben meinem Koffer, dass ich mich fühlte wie eine Makrele in einer Konservendose. Marie saß vorne neben Ludger. Er fuhr uns ins Hotel, half Marie beim Aussteigen und trug ihr den Koffer in die Halle. Erst dann kümmerte er sich um mich. Ich saß eingezwängt auf der Rückbank und konnte meine Füße nicht mehr bewegen, weil sie eingeschlafen waren. Als Ludger mir heraus half, spürte ich, dass sein Flanellhemd nicht weichgespült war. Es war kratzig und lud nicht zum Verweilen ein.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Ludger unschlüssig, als ich den Zimmerschlüssel bekommen hatte.
    »Komm mit rauf«, sagte ich großzügig. Die Diva lässt bitten! Ludger trug mir den Koffer rauf. Wir hätten auch den Fahrstuhl nehmen können, aber ich war absichtlich die Treppe vorangegangen. Ich wollte, dass Ludger sich für mich anstrengt. Das tun Maries Männer für Marie schließlich auch. Ludger stand dann wie Falschgeld in meinem Hotelzimmer und lebte die Peinlichkeit des Momentes aus.
    »Sitz«, sagte ich aus Versehen, wie ich das sonst zu Olga sage, und ging erst mal ausgiebig ins Bad.
    Als ich wieder rauskam, nach etwa 25 Minuten, stand er am Nachttisch und blätterte in der hoteleigenen Bibel.
    »Willst du was trinken?« Ich öffnete lässig die Minibar.
    »Ein Wasser«, sagte Ludger und blätterte weiter in der Bibel. Ich selber genehmigte mir zur Überwindung der Peinlichkeit einen Sekt. Marie tut das auch immer.
    Ich hatte mich etwas nett zurechtgemacht und Lippenstift aufgelegt und mir Parfüm von Maries geschenkter, fast leerer Sprühflasche an den Hals gesprüht. Ich fand mich unwiderstehlich. Viel zu schade für Ludger.
    Ludger nippte an seinem Mineralwasser und blätterte mit der anderen Hand in der Bibel.
    Ich ließ ihn blättern. Schließlich braucht doch so ein Junge Zeit. Wochenlang hat er sich auf mich gefreut und mir mehr oder weniger originelle Liebesbriefe geschrieben. Im Letzten hatte er die verunglückte Formulierung gewählt: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich liebe, aber ich glaube, ich liebe dich.« Selig, der da glaubet.
    Nun schien er sich doch nicht mehr so sicher zu sein und suchte nach

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