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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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unheimlich starke Erotik signalisiert.
    »Und du hast trotzdem dauernd mit Herrn Matulka geschäkert«, wunderte ich mich.
    »Ach, der Clemens«, wehrte Marie ab, »das ist ein ganz unreifes, albernes Bürschchen. Und die Witze, die er erzählt hat! Er kann nicht Auto fahren, sagt er, er hält den Auspuff für ein Etablissement am Ortsausgang und solche Scherzchen. Na ja, er hat eben das Niveau eines Dreizehnjährigen. Aber seine kleine Freundin, die Statistin, die passt zu ihm.«
    »Finde ich auch«, pflichtete ich ihr bei.
    »Der Harald hingegen …« Marie bekam glasige Augen. »Er ist unwahrscheinlich reif und ernsthaft. Ein ganz tief empfindender, wertvoller Mensch.«
    »Na, das lässt ja hoffen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ach, nur so …«
    »Apropos«, fügte sie noch hinzu, »was macht eigentlich dein Ludger?«
    Ich wollte aber nicht über Ludger sprechen und lenkte das Gespräch wieder zurück auf Harald Gernhaber, den beseelten Geiger.
    »Baut er sich seine Stereoanlage selber?«
    Marie lächelte verträumt. »Nein, er hat überhaupt keine.«
    »Hat er wenigstens eine Ente auf dem Teich?«, bohrte ich nach.
    »Nein. Stell dir vor, er haust in einem winzigen, schäbigen, möblierten Zimmer, das voll gestopft ist mit Geigen.«
    »Geigen? Und sonst nichts?«
    »Na ja … ein Bett natürlich«, sagte Marie. »Aber die Bude sieht aus! Entsetzlich unaufgeräumt, staubig und muffig. Harald wohnt seit fünfundzwanzig Jahren dort, und ich bin überzeugt davon, dass er noch nicht ein einziges Mal das Bett gemacht hat.« Ich dachte an Matthäus und wurde wachsam. »Und das findest du toll?« Marie ist doch immer wieder für Überraschungen gut.
    »Kennst du das Bild vom armen Poeten? Es ist von Spitzweg«, sagte Marie. »Genauso haust der Harald. Absolut fern von allen irdischen Bedürfnissen. Ein Bett, ein Stuhl, eine Kochplatte, die er nie benutzt, und überall liegen seine Stradivaris rum.« Sie kicherte aufgedreht. »Sogar auf dem Klo!«
    »Und wenn er mal muss?«, blieb ich gedanklich auf unromantischem Terrain.
    »Dann räumt er sie vorübergehend in die Badewanne«, erklärte Marie verzückt.
    Ich überlegte, ob ich Matthäus interessanter gefunden hätte, wenn statt der Unterhosen ein Klavier in der Wanne gewesen wäre. »Das ist aber nicht gut für die Geigen«, beckmesserte ich. »Feuchtigkeit schadet dem Holz.«
    Marie lachte begeistert. »Die Badewanne ist seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr in Betrieb. Es liegen nur Geigen darin. – Natürlich mit Kasten!«, sagte sie, als sie mein entsetztes Gesicht sah. »Deshalb ist die Badewanne auch völlig schwarz. Die Geigenkästen haben im Laufe der Jahrzehnte ziemlich abgefärbt.« Matthäus’ Badewanne war auch schwarz. Wo lag da der Unterschied?
    »Ach so«, sagte ich abwartend.
    »In der Küche liegen auch nur Geigen«, fuhr Marie fort. »Sogar im Brotkasten war eine – eine Viertelgeige! Die war so süß und winzig!« Sie zeigte mit den Händen, wie süß und winzig die Viertelgeige gewesen war. »Und auf dem Küchentisch, auf dem Küchenschrank und auf der Kochplatte. Auf dem Kühlschrank lag eine Bratsche.« Ich wartete auf den angebissenen Osterhasen oder wenigstens die halb leer gegessene Thunfischbüchse. Ganz zu schweigen von einem alten Hamburger oder einem Pizzarest.
    »Und wo isst dein Harald?«
    »Gefrühstückt haben wir im Bett«, sagte Marie. »Er hatte Zwieback und Pulverkaffee. Es war unvergleichlich romantisch.«
    »Keinen Champagner?«, fragte ich erstaunt.
    »Harald trinkt niemals Alkohol. Er ist ein Vertreter des absolut natürlichen und einfachen Lebens.«
    Ich nickte. Konsequenter Typ, der Harald. Wer keinen Alkohol trinkt, muss auch niemals in eine Stradivari pinkeln. Ich überlegte ein bisschen, dann fragte ich Marie: »Und du fandest das Ganze nicht etwas … unappetitlich? Ich hätte mich wahrscheinlich ein wenig geekelt.« Und dann erzählte ich ihr von Ludger. Obwohl er sich zu waschen pflegt und sein Bett frisch bezogen war, habe ich mich schrecklich geekelt. Marie wollte sich kaputtlachen. Wovor ich mich denn geekelt hätte?
    »Vor allem eigentlich«, sagte ich.
    »Na ja«, sagte Marie, »ein Cary Grant ist er wirklich nicht!« Ich wagte nicht zu erwidern, dass ihre sämtlichen Liebhaber, die ich kennengelernt hatte, noch nicht einmal den Schönheitsgrad von Woody Allen erreichten, von Willem natürlich abgesehen.
    »Wie war denn die Nacht mit Ludger?«, fragte Marie. Wir saßen wieder mal bei einem Gläschen Piccolo im

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