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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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wirst du ihm begegnen?«, fragte ich bang.
    »Er ist irgendwo Chef an einem großen Haus«, sagte Marie. »Mehr will meine Mutter mir nicht verraten.«
    »An was für einem Haus?«, fragte ich blöde.
    »Na, an einer großen Oper«, erklärte Marie. »Er war vor dreißig Jahren hier Korrepetitor. Da war meine Mutter gerade neu im Chor, und er hat wohl was mit ihr angefangen. Das Ergebnis bin ich.«
    »Aha«, sagte ich nur.
    Marie kam einer weiteren dummen Frage meinerseits zuvor. »Als ich vor zwei Jahren schwanger wurde, hat Mama ihre ganzen Beziehungen spielen lassen«, sagte sie. »Sie hat doch einige Gesangsschüler, aus so genannten besseren Kreisen, unter anderem eben die Schwester von Willem«, fuhr sie fort. »Erst wollte sie natürlich, dass ich den Vater des Kindes heirate, aber Edwin war damals schon verheiratet …« Erschrocken unterbrach sie sich.
    »Ist klar, Marie«, sagte ich. »Ich hab’s mir schon gedacht.«
    »Wir hätten es dir sowieso nicht lange verheimlichen können«, sagte Marie. »Nun weißt du es. Maximilian ist von Edwin.«
    »Macht ja nichts«, sagte ich aufmunternd. »Nur … was sagt Willem dazu?«
    »Keine Ahnung. Was soll er dazu sagen? Er kann es eh nicht mehr ändern. Ein Gentleman genießt und schweigt.«
    »Aber … er weiß es doch, oder nicht?«
    »Klar. Er hat Maximilian adoptiert. Wir haben ihn ja auch nach Willems Vater benannt. Maximilian von Otten.« Sie sah mich fragend an, als hätte sie mir auf der Bühne ein Stichwort gegeben und ich Dumme fand schon wieder meinen Einsatz nicht.
    »Schöner Name«, versuchte ich auf neutralem Gebiet zu bleiben.
    Marie sah mich erstaunt an. »Kennst du etwa Maximilian von Otten nicht? Maximilian von Otten! Der Maximilian von Otten!«
    Ich zog die Stirn in Falten und überlegte. Bestimmt ein berühmter Opernsänger oder so. »Es klingelt nicht«, bedauerte ich meine Blödheit.
    »Es klingelt nicht?« Marie amüsierte sich königlich.
    »Außer dem Schreihals in der Garage kenne ich keinen Maximilian von Otten.« Letzterer hatte schon eine ganze Weile vor sich hin gequakt und war nun zu beleidigtem Brüllen übergegangen. Wir standen auf und zerrten die Qualle aus der Streichholzschachtel. Das Kind war sehr ungehalten und warf sich mit aller Wucht nach hinten. Bei dem Versuch, es daran zu hindern, gegen die Garagensäule zu knallen, geriet mein eigener Kopf in die Gefahrenzone. Bums.
    »Das Temperament hat er vermutlich von dir«, versuchte ich zu scherzen. Das würde eine prima Beule werden an der Schläfe. »Bei Echtwein kann ich mir solche Ausbrüche nicht vorstellen!«, konnte ich mir nicht verkneifen.
    Marie war genervt. »Was mache ich nur ohne Kinderfrau? Meine Mutter hat ihn völlig verstört, sieh doch, der Kleine ist ja ganz bockig! Er braucht doch irgendwen, gerade jetzt, wo ich auf Tournee gehe.« Sie schaute mich ganz verzweifelt an, die Arme.
    »Tja«, sagte ich und zuckte die Schultern. Woher sollte ich nun plötzlich eine Kinderfrau zaubern?
    »Das sind ja wieder mal Probleme!«, sagte eine Männerstimme von der Garagentür her. Wir fuhren herum. Das musste Willem sein.
    Willem ist ein großer, muskulöser und braun gebrannter Mann mit blonden Locken. Er trug ein Polohemd, Tennisschuhe und weiße Hosen. Aus seinem Cabrio fischte er gerade eine Sporttasche, aus der ein Tennisschläger ragte. »Ständig versuche ich es, aber ich finde keinen Partner, der es mit mir aufnimmt«, sagte er so leichthin. Bestimmt war er wahnsinnig gut in Tennis.
    Ich starrte den Mann verzückt an. Willem ging zu Marie und küsste sie auf die Stirn. Mir drückte er so kräftig die Hand, dass ich glaubte, nie wieder Klavier spielen zu können. Dann nahm er Maximilian ganz ohne Anstrengung auf seine muskulösen Arme und trug ihn ins Haus. Maximilian patschte mit beiden Händen in seinem Gesicht herum und war offensichtlich verzückt, seinen Adoptivvater wiederzusehen. Wobei ich davon ausgehe, dass er die Zusammenhänge mit Erzeuger, Adoptivvater und Großvater, von dem er seinen Namen hat, noch nicht wirklich durchblickt.
    »Ist er das?«, fragte ich Marie, obwohl sich die Frage als überflüssig erwies.
    »Wer?«
    »Dein Mann?«
    »Ja. Na und?«, fragte Marie.
    »Er sieht fantastisch aus!«
    »Ich weiß.« Marie zuckte die Schultern. »Trotzdem ist er nicht meine große Liebe.«
    Ich antwortete nichts. Aber ich war völlig ratlos. Wie kann diese schöne, begabte, reiche Frau einen so schönen, begabten, reichen Mann wie den Willem weniger lieben

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