Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
eigenen Lorbeeren mit so einem Anfängerstück einheimste, anstatt zum Blättern anzutreten, wie das doch vertraglich festgelegt war.
    »Nur herei, Meisdä, das Mädsche spielt ja ganz wunnäbaa!«, strahlte ihn der Hausmeister an.
    Edwin war jedoch nicht zum Scherzen aufgelegt. »Wo bleiben Sie denn, die Klospülung rauscht immer noch! Marie ist vollkommen mit den Nerven fertig!«
    »Von mei Dochtä der Freund dem sei Schwesdä, die kann auch Klavier spiele, abbä doch net so wunnäbaa wie Ihre kloi Kolleschin, Maisdä!«, sagte der Hausmeister. »Wollese net neikomme, e kloi Schnäpsche tringe! Des heitert Se allemol widder uff. Des andere Frolleinsche, was so schön singe kann, soll au neikomme uff e Schnäpsche!« Edwin wollte kein Schnäpschen.
    »Kümmern Sie sich um Marie«, sagte er barsch zu mir. Es kam mir wirklich so vor, als wäre er überzeugt davon, dass ich an Maries Nervenzusammenbruch schuld sei. Mit hängenden Schultern ging ich hinter Edwin in die Mehrzweckhalle zurück. Der Hausmeister rief noch verwundert hinter uns her:
    »Ei sollisch de Klempnä gloi widder abbestelle?!« Edwin murmelte, er könne sich den Klempner sonst wo hinstecken. Marie war nicht zu sehen.
    »Sie ist wahrscheinlich in der Garderobe«, sagte Edwin. »Ich gehe jetzt ins Hotel zurück. Sorgen Sie dafür, dass Marie gleich nachkommt. Und schließen Sie dann den Flügel ab, bevor dieser Waldheini von Hausmeister ihn noch mit Schnaps poliert. Legen Sie mir den Schlüssel in mein Fach. Ich will später noch üben. Haben Sie alles verstanden?«
    »Ja, Herr Professor Echtwein«, sagte ich artig.
    Eigentlich wollte ich noch einwenden, dass ich selber gerne üben würde, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass ich doch jetzt seine Schülerin sei und er doch viel von Fleiß und Strebsamkeit halte. Ich hielt den Moment aber für unpassend und stellte mein eigenes Bedürfnis zurück. Schließlich geht es ja auf dieser Reise um Marie. Sie ist die Hauptperson.
    Als ich Marie in der Garderobe fand, zwischen hochgestellten Stühlen, ein paar ausrangierten Geigenkästen und zwei sehr verfilzten Puderperücken, hatte sie ganz offensichtlich schon etwas Alkoholisches zu sich genommen.
    »Was ist los, Marie, geht es dir besser?«, fragte ich beim Eintreten.
    »Diese Scheiß-Klospülung!«, heulte Marie. Ich fand sie in diesem Moment wunderschön, ihre großen, grünen Augen schwammen in Tränen, ihre langen schwarzen Wimpern waren feucht verklebt, und ihr schwarzes langes Haar hing wirr um ihr ovales, schön geschnittenes Gesicht. »Der beschissene Flügel ist völlig verstimmt«, jammerte Marie, »und die verdammte Klospülung rauscht!«
    »Aber das erledigt doch bis morgen der Klempner«, tröstete ich sie.
    Marie heulte noch lauter. »Es ist nicht nur wegen der Klospülung, es ist wegen …«
    »Edwin?«, fragte ich ahnungsvoll.
    »Ja, Edwin, dieser … Schuft, dieser Feigling!«
    Ich prallte zurück. »Ich dachte, du magst ihn sehr, und er, er ist ganz bestimmt verliebt in dich, Marie!«
    Marie hob erstaunt den Kopf. »Meinst du?«
    »Aber ja! Er betet dich an, das sieht doch ein Blinder!«
    »Warum will er mich denn dann nicht heiraten!«
    Ich zuckte zusammen. »Aber Marie, du bist doch verheiratet!«
    »Das tut nichts zur Sache«, behauptete Marie trotzig. »Er soll seinen Mann stehen und sich nicht so schofel aus der Affäre ziehen!«
    »Was erwartest du denn von Edwin?«
    »Dass er sich scheiden lässt, der Feigling!« Marie kramte in ihrer Handtasche und zog ein Taschentuch heraus.
    »Und du willst dich auch scheiden lassen, Marie? Wegen Edwin?« Ich dachte an Willem, diesen Traummann. Marie musste blind sein. Wie konnte sie nur Willem verschmähen?
    Marie wollte sich scheiden lassen, natürlich nur für den Fall, dass Edwin sich auch scheiden ließ. Dies war also der Inhalt der Probe in der Mehrzweckhalle gewesen, und die Klospülung hatte die Diskussion noch angeheizt.
    Heute haben sich die Wogen wieder geglättet. Marie und Echtwein waren stundenlang bei der Probe in der Mehrzweckhalle. Ich durfte gehen, nachdem die Klospülung nicht mehr lief und die Birne in der Notenlampe ausgewechselt war. Sie meinten, in der Probe brauchte ich nicht zu blättern, ich solle mich ausruhen für heute Abend, da müsse ich in Hochform sein und ausgeschlafen. Sie müssten sich jetzt auch konzentrieren, und ich solle nicht böse sein, aber eine dritte Person würde im Moment nur stören. Ich solle mir die Stadt ansehen, die wäre doch sehr

Weitere Kostenlose Bücher