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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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war natürlich nicht begeistert und ließ sich immer wieder auf den Hintern fallen, aber Matthäus gab sich nicht geschlagen. »Auf, du schlapper Sack!« Und aufs Neue zog er ihn unsanft hoch und stellte ihn auf die Beine.
    »Der dicke Bengel müsste längst laufen«, sagte Matthäus.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte ich unsicher.
    »Weil ich fünf kleinere Geschwister hab, darum«, sagte Matthäus. Dann ließ er sich das Spielzimmer zeigen und sagte: »So, und du gehs getz ab anne Maschine und kloppst deine Schumann-Träumerei. Ich wette, du hass seit vier Wochen keinen Ton mehr gedroschen.«
    »Aber ich kann doch Maximilian nicht einfach alleine lassen«, protestierte ich schwach.
    »Isser ja aunich. Is bei Onkel Matthäus bestens aufgehoom. Hau jetz ab, sonz nehmich mein Angebot zurück!« Maximilian spielte ganz versunken mit Matthäus’ silberner Haschischdose. Ich verließ die beiden und ging üben: fast zwei Stunden lang. Es war wunderbar.
    Als Maximilian im Bett war, habe ich für Matthäus und mich was gekocht. Eigentlich wollte ich mit ihm oben in die Mansarde gehen, aber aus irgendwelchen irrealen Ängsten, wahrscheinlich frühkindlich und unbegründet, blieb ich lieber mit ihm unten. Mama hätte gesagt, kein anständiges Mädchen nimmt einen fremden Mann mit in ihr Zimmer, denn der betrachtet das dann als Aufforderung. Zu was, hätte sie nicht weiter ausgeführt, aber sie geht davon aus, dass ich weiß, was sie meint. Und dann kommen nur unnötige Missverständnisse auf, hätte Papa hinzugefügt: Das muss ja alles nicht sein. Wir saßen also in der großen, tollen Einbauküche, die Frau Perl morgens besonders gründlich sauber gemacht hatte, und mampften Spaghetti mit Ketchup. Dazu gab es den besten Rotwein aus Willems Keller, den Matthäus finden konnte. Matthäus erzählte, was er von Echtwein hält.
    »Eigentlich waa dat n ganz feister Typ, so’n ruhiger stiller Zeitgenosse, der hat einfach tierisch gut Klavier gespielt und auch ganz toll unterrichtet. Bis er die Marie kennengelernt hat. Von da an hat er sich verändert und allet im Leben dreht sich nur noch um die Marie. Er lässt die Schüler sausen und verschwindet im Paakhaus, weil er angeblich zu einer wichtigen Probe muss. Aber ich bin ja kein kleiner Dummkopp.« Er zog sich einen Joint rein und sagte dann knapp: »Die ficken da.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Dabei hat die Marie doch hier so’n geilen Kerl sitzen.«
    Ich zuckte zusammen. Obwohl ich das alles schon wusste, klang es doch aus Matthäus’ Mund sehr vulgär.
    »Ist der Echtwein eigentlich verheiratet?«, brachte ich die Sache auf etwas festeren Boden.
    »Klaa«, sagte Matthäus und häufte sich noch einen Schwung Spaghetti auf den Teller. »Kennze vielleicht, die Olle vom Echtwein: sitzt im Vorzimmer vom Direktor.«
    »Nein«, sagte ich. »Ich war noch nie beim Direktor.«
    »Müsse ma hingehn«, sagte Matthäus. »Da kannze die Olle vom Echtwein besichtigen. So ne kleine Dürre mit Brille und kurze graue Haare. Is keine Augenweide, die Frau. Die hat ja bei gaa nix hier geschrien. Also ich an Echtweins Stelle würd auch lieber Marie von Otten bumsen.«
    Das war das beste Stichwort, um Willems Eintreten zu einem Erlebnis zu gestalten.
    Er musste die letzten Worte von Matthäus gehört haben! Ich dachte, mein Kopf platzt. Da sitzt nun die neue Kinderfrau in der eigenen Küche abends mit einer geklauten Flasche Wein mit einem ordinären Kerl in schmieriger schwarzer Jacke, der nach Marihuana stinkt, und redet über die eigene, geliebte Ehefrau in solch unflätiger Weise. Meine Knie waren so weich, dass ich nicht aufstehen konnte. In Erwartung meiner fristlosen Kündigung senkte ich den Blick.
    Willem sagte nur: »Na?« und gab Matthäus die Hand. »Wir kennen uns doch. Sie sind doch der Umblätterer von früher! Wie geht’s? Nett, dass Sie unsere Karla mal besuchen!«
    »Tach«, sagte Matthäus und wischte sich den Ketchup vom Mund. »Wollense auch’n Schluck?«
    »Was habt Ihr denn da? Ach, den 78er? Auf den hatte ich schon lange mal Lust. Ich komme sofort, will nur gerade nach Maximilian sehen. Schläft er schon lange?«
    »Seit kurz nach sieben«, sagte ich eingeschüchtert. Willem verschwand. Ich zitterte am ganzen Leibe.
    »Feister Typ«, sagte Matthäus und zündete sich eine Zigarette an. »Wieso der dem Echtwein nich mal eins in die Fresse haut!«
    Als Willem wieder runterkam, hatte er sich umgezogen. Weißes Polohemd mit Marken-Reptil, weiße Jeans und weiße

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