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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Schuhe. Er sah wieder aus wie einer aus der Schwarzwaldklinik. Ich fand ihn umwerfend.
    Matthäus rülpste und hielt ihm seine Weinflasche hin: »Wollense n Schluck?« Ich sprang auf und holte noch ein Glas. Wir sind keine Proleten, sagte Mama immer. Wir trinken nicht aus der Flasche. Auch nicht zu Karneval.
    Willem setzte sich zu uns an den Küchentisch und zelebrierte den Chateauneuf 78, wie man das als Gourmet und Millionär eben macht: schwenkend, schlürfend, kauend, schluckend, nickend. Von so was hat Matthäus natürlich keine Ahnung, der würde noch Champagner runterkippen wie Dosenbier.
    »Feistes Gesöff, woll?«, eröffnete er die Unterhaltung mit meinem Arbeitgeber. Ich schwieg beschämt.
    Willem war jedoch flexibel und begab sich kurzzeitig auf das Niveau seines Gesprächspartners. »Absolut«, sagte er kameradschaftlich.
    Nach zwei bis drei Flaschen von dem feisten Gesöff kamen wir sehr gut drauf, wir drei. Zuerst spielten wir einige Runden Skat, aber ich machte zu viele Fehler und vergaß immer, dass Buben Trümpfe sind. Plötzlich sagte Matthäus zu Willem: »Ey, wieso hauße dem Echtwein nich ma eins in die Fresse?« Ich erblasste augenblicklich und meine Skatkarten zitterten unter der Tischplatte bange vor sich hin.
    »Ich glaub, das würde nichts bringen«, sagte Willem.
    »Also bei uns in Kastroprauxel tun wir so kleine Missverständnisse auf diese Weise regeln«, faselte Matthäus. »Is gut für dat Selbstweatgefühl.«
    Willem knibbelte an seinem Herzbuben herum und sagte nichts. Ich konnte nichts sagen, so trocken war meine Kehle. Hastig goss ich mir noch Wein nach.
    »Kumma«, sagte Matthäus. »So Frauen wie Marie, die treiben et so lange mitn Krug, bisser bricht. Wennze der nich beizeiten sachs wo et langgeht, dann macht die dat noch mit achzich. Würdick vorher ma reindreschen, dann hasse klaare Fahältnisse.«
    Willem sagte, dass das Dreschen nicht seine Art sei. Matthäus bohrte noch weiter auf dem Thema rum und wollte einfach nicht akzeptieren, dass es Männer gibt, die subtiler und sensibler auf partnerschaftliche Konfliktsituationen reagieren als er selbst. »Wie konnzte denn an sone Frau geraten, wennde selps son durch und durch charaktervollen Heini biss?«, lallte Matthäus.
    »Eine Frau wie Marie kann man nicht an die Kette legen«, sagte Willem schlicht.
    Aber so etwas begreift ein Prolet wie Matthäus natürlich nicht. Er wollte sich nicht zufrieden geben und entblödete sich nicht, dem armen Willem auch noch weitere Andeutungen über Maries Affären aufzudrängen.
    »Mit’n Direktor wa ja auma was«, sagte er ungefragt. »Dat weiß ich vonne Vorzimmamaus, wat die Olle vom Echtwein is.«
    »Matthäus, halt die Schnauze!«, sagte ich unfein.
    »Nee, musser doch wissen, der Gatte! Nich hier einfach Kopp inn Sand stecken un Toleranz heucheln! Jibter bloß nich zu, dat ihm dat stinkt, woll!«
    Ich fand Matthäus, gelinde gesagt, reichlich unverschämt, und ich als Hausherr hätte ihm spätestens jetzt eins in die Fresse gehauen, wie Matthäus sich auszudrücken pflegt. Aber Willem ist für so was zu fein. Am liebsten hätte ich Willem auf die Stirn geküsst und ihm beteuert, ich allein wüsste seinen Edelmut zu würdigen, aber dazu war ich zu feige. Willem stand auf und sagte, er müsse morgen früh raus, und es sei ein netter Abend gewesen und wir sollten uns nicht stören lassen und ruhig noch gemütlich weitertagen.
    Damit ging er zu Bett. Ich bin hingerissen.
    Gestern war der Tag, auf den wir alle sehnsüchtig gewartet haben: Marie ist nach Hause gekommen! Nach drei Wochen.
    Gerade als Maximilian seinen Mittagsschlaf machte, fuhr sie mit dem Taxi auf dem Kiesweg vor. Ich habe mich schon gewundert: Taxi und nicht Kastenwagen?!
    Ich lief ihr entgegen und buhlte zusammen mit Olga um ihre Aufmerksamkeit. Sie tätschelte zuerst die Dogge zur Begrüßung, dann mich. »Na, Karla, alles gut gelaufen hier?«
    »Alles bestens«, sagte ich. »Wie war’s?«
    »Karla, es war saaagenhaft«, sagte Marie, nahm sich einen Sherry aus der Bar und sank auf ein weißes Sofa im Wohnzimmer. »Komm her und setz dich, ich muss dir alles erzählen.« Der weiße! Flügel! war schon aufgedeckt und die Noten aufgeschlagen, aber es war natürlich klar, dass ich jetzt nicht anfangen konnte zu üben. Es wäre ein völlig unpassender Augenblick gewesen. Mama hätte auch gesagt, Kind, jetzt nimm dich nicht so wichtig und hör erst mal, was Marie erlebt hat. Man muss auch zuhören können im Leben, vom Zuhören

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