Karlas Umweg: Roman (German Edition)
da gaanix mehr gegen unternehmen kann …« Ich muss wirklich sehr betrunken gewesen sein. Echtwein ging kopfschüttelnd von dannen. Eines aber habe ich in meinem Rausch noch hingekriegt: Ich habe den Schlafzimmerspiegel geputzt. Meine Güte, war ich blau. Maximilian hat übrigens durchgeschlafen. Das fällt mir erst jetzt auf, wo ich darüber nachdenke.
Als ich Marie die Neuigkeiten brühwarm auftischen wollte, sagte sie, sie hätte den Direktor vom Konservatorium auf der Silvesterparty getroffen. Der hätte ihr alles gesagt: seine graue Vorzimmermaus hat sich scheiden lassen, und Echtwein kann in den nächsten Wochen wieder nicht unterrichten, weil er mit Marie auf Tournee geht. Marie hat den ganzen Abend mit dem Direktor der Hochschule getanzt.
»Und Willem?«
»Der hat zugeguckt!« Marie küsste ihr Glas.
Ich überlegte, ob es sinnvoll wäre, wenn ich ihr sagen würde, dass Matthäus mir verraten hat, dass sie mal was mit dem Direktor der Hochschule hatte. Aber ich dachte, sie weiß selbst, mit wem sie schon was hatte, und dass ich ihr sage, dass ich das weiß, bringt uns jetzt auch nicht weiter.
Marie war bester Stimmung. Na bitte. Dann würde doch die Nachricht von Echtweins Heiratsabsichten sie jetzt erst recht glücklich machen. Das war es schließlich, was sie immer wollte. Aus welch unverständlichen Motiven auch immer.
»Du hattest gestern Abend Besuch.«
»Hat der in meinen Schränken rumgewühlt?«
»Oh nein«, beeilte ich mich zu sagen. »Ich habe nur nach dem schwarzen Kleid gesucht, das du mir immer zum Umblättern geliehen hast. Ich wollte sehen, ob es in die Reinigung muss.«
»Na gut, und wer war zu Besuch? Meine Mutter etwa?«
»Nein, nein.«
»Sterz?«
»Echtwein«, sagte ich genüsslich.
Marie sank auf einen Stuhl. »Edwin? Was wollte der denn?«, rief Marie und ihre Augen bekamen wieder dieses Leuchten.
»Na ja, er wollte dir das mit der Scheidung sagen«, ließ ich die Bombe platzen. »Edwin will dich nämlich heiraten.«
»Ich weiß«, sagte Marie geschmeichelt. »Er hat mir gestern einen Brief hinter den Spiegel im Gästeklo gesteckt.«
Ich sackte zusammen. Nie, niemals kann ich Marie mal imponieren, immer nur sie mir. Ich holte tief Luft. »Und? Heiratest du ihn?«
Marie lachte und tippte sich mit den Gästeklopapierbrief an den Kopf. »Was denkt der sich eigentlich? Ich bin doch verheiratet!«
Überrascht erwiderte ich, dass sei mir nicht neu. Aber so wie Echtwein gestern Abend geklungen hatte, sei es doch Maries dringendes Anliegen, mit ihm, dem Vater ihres Kindes, verheiratet zu sein.
»Völliger Blödsinn«, sagte Marie und goss sich ein Glas Champagner ein. »Der soll sich bloß nichts einbilden. Dafür ist es nun zu spät.«
»Wie, du willst ihn gar nicht mehr heiraten?« Ich sank auf einen Küchenstuhl.
»Im Moment will ich einen ganz anderen heiraten«, kicherte Marie und küsste ihr Glas.
»Den Direktor?«, fragte ich ahnungsvoll.
»Genau. Heyko Zurlinde.« Marie verdrehte verzückt die Augen.
Was sollte ich dazu sagen! Das war eine unerwartete Richtungsänderung!
Maries Augen leuchteten immer verdächtiger. »Wir sind uns gestern Abend wieder sehr nahe gekommen.«
Verheißungsvolles Schweigen.
»Aber der hat doch was mit einer Orgelpfeife von der Kirchenmusikschule, sagt Matthäus«, stammelte ich. Ich überlegte kurz, ob ich noch erwähnen sollte, dass Matthäus mir auch erzählt hatte, dass der Direktor sowieso verheiratet sei. Seit zwanzig Jahren. Aber ich dachte, das bringt jetzt nichts. Solche bürokratischen Dinge haben Marie noch nie gestört.
»Gehabt«, sagte Marie mit erhobenem Zeigefinger.
»Aber das heißt doch nicht …«
»Aber nein!«, lachte Marie mich aus. Sie differenziert wirklich kritisch, das muss man zugeben.
»Nein«, sagte ich. »Ist klar.« Aber dann wollte ich unbedingt noch auf dem Thema Echtwein herumreiten. »Was sagst du denn jetzt dazu, dass er sich hat scheiden lassen?« Das konnte sie doch nicht einfach so kommentarlos im Raume stehen lassen, Zurlinde hin oder her!
»Na ja«, sagte Marie gedehnt, »wenn sie sich halt nicht mehr verstanden haben …«
»Aber Marie, er hat sich doch wegen dir scheiden lassen!«
»Ach was«, sagte Marie.
»Doch«, brüllte ich aufgeregt. »Er hat es mir genau so gesagt!«
»Das ist sein Problem«, sagte Marie. »Etwas voreilig von ihm, findest du nicht?«
»Aber wolltest du denn nicht … ich meine, ich dachte, du liebst Echtwein?«
»Ja, irgendwie liebe ich ihn auch, den guten
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