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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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bleiben. Und leinen Sie ihn an.«
    »Er wird hier draußen erfrieren.«
    »Wir haben eine Katze. Das könnte für Ihren Hund gefährlich werden.«
    Ich beschwor Axel, keinen Unsinn anzustellen und vor der Tür auf mich zu warten. Axel wedelte freudig mit dem Schwanz. Er hatte nichts verstehen wollen. Dann leinte ich ihn an.
    »Ich will den Hund aber streicheln«, bettelte Pietschs Tochter. »Der ist so süß!«
    »Nein«, sagte ihre Mutter und zog sie ins Haus. Pietsch erwartete mich in der geräumigen Diele. Seiner roten Nase nach zu urteilen hatte er schon einiges getrunken. Als er mir jovial aus meiner Jacke half, bestätigte sich mein Eindruck.
    »Das freut mich ganz besonders, dass dich meine Einladung trotz deiner gefährlichen Lage erreicht hat.« Ja, sie habe in der Zeitung gelesen, dass ein Attentat auf mich verübt worden sei, schaltete sich seine Frau neugierig ein.
    »Sie dürfen nicht alles glauben, was in der Zeitung steht.«
    »Wir gehen gleich in mein Arbeitszimmer«, ordnete Pietsch an.
    Er wandte sich seiner Frau zu: »Und du bringst uns eine Flasche Wein!«
    »Du hast schon genug getrunken«, widersprach sie. »Wie viel ich trinke, bestimme immer noch ich!« Frau Pietsch warf ihm einen giftigen Blick zu und stieg in den Keller. Seine Tochter spielte mit einer fetten Siamkatze, die mit einem roten Lederhalsband und einer rosa Schleife geschmückt war, und schaukelte sie wie ein Baby. »Herr Pietsch«, sagte ich, nachdem ich in einem braunen Ledersessel versunken war, »Sie wollen sicher eine Entschuldigung für das Silvesterbild von der Misswahl.« Pietsch winkte ab. »Halb so wild. Mir hat das gut gefallen.« Er zog den Korken aus der Rotweinflasche. »Feinste Lage«, sagte er auf das Etikett deutend. »Das weißt du gar nicht zu schätzen!« Er goss sich ein wenig Wein in sein Glas, schwenkte es ein paar mal, roch das Bukett, kostete kurz und schnalzte mit der Zunge. »Ein wunderbares Tröpfchen!« Dann schenkte er ein und reichte mir das Glas. Wir prosteten uns zu. »Meine Frau wollte, dass ich mich bei Stumpf beschwere. Und weil ich ihm schon lange nicht mein- den Kopf gewaschen hatte, bin ich an Silvester zu ihm.« Er lachte los. »Der Kerl wird mir langsam zu liberal!«
    »Das ist eine Frage des Standpunkts«, entgegnete ich. »Sicher, sicher«, sagte Pietsch generös. »Standpunkte gibt es viele.« Er beugte sich vor und drohte mit dem Finger. »Aber« fabulierte er, »nur einer hat die Wahrheit. Und das sind wir! Christlich! Demokratisch! Sozial! National! Freiheitlich! Antikommunistisch! Umweltfreundlich!« Jedes Wort unterstrich er mit einem Schluck aus seinem Weinglas.
    »Es gibt doch selbst in ihrer eigenen Partei einige, die das etwas anders sehen als Sie«, versuchte ich einzuwenden. Pietsch machte eine abwertende Handbewegung und füllte sein Glas. »Jetzt, wo der Osten zu uns gehört, sind wir auf ewig unschlagbar!«
    »Das hat Franz Beckenbauer damals auch gesagt. Und ratzfatz haben die Jungs einen vor den Latz gekriegt.«
    »Aber wir nicht.« Pietsch erhob sich und postierte sich vor ein großformatiges Schwarz-Weiß-Foto in einem goldenen Rahmen. »Dieser Mann«, er deutete auf den Kanzler der Einheit, »hat die Saat für eine glorreiche Zukunft …«
    »Und die Sozis fahren die Ernte ein«, grinste ich. Pietsch winkte ab. »Der Spuk geht bald vorüber. Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Der Endsieg ist unser!«
    »Herr Pietsch, Sie kennen meinen Standpunkt. Sie haben bestimmt nicht angerufen, um mit mir über Politik zu debattieren«, erklärte ich. Pietschs Grundsatzdiskussionen über die politische und wirtschaftliche Lage im Allgemeinen und seine Verdienste im Besonderen hatten für mich einen ähnlichen Unterhaltungswert wie die morgendliche Pollenflugvorhersage.
    Pietsch ließ nicht locker. »Mit dem Gegner, mit dem Andersdenkenden zu diskutieren, das schult, sage ich dir. Was glaubst du, wie ich es geschafft habe, vom einfachen Bürgermeister unseres Dorfes zum Abgeordneten aufzusteigen?«
    »Keine Ahnung.« Diese Frage hatte ich mir schon oft gestellt.
    »Ich bin der Abgeordnete mit der höchsten Stimmenzahl«, bramarbasierte er. »Mein Wahlkreis ist für die Partei absolut sicher! Der Ministerpräsident, der Wirtschaftsminister, die Partei - sie brauchen mich!«
    Pietsch reihte einen Superlativ an den anderen. Ich fragte mich, ob er im Bett ähnliche Höchstleistungen vollbrachte wie auf dem politischen Parkett. Simona! Wie konnte eine so intelligente Frau nur mit

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