Karlebachs Vermaechtnis
einem schwabbeligen Fettsack wie Pietsch ins Bett steigen?
»Macht macht erotisch«, antwortete eine meiner inneren Stimmen.
Ich war froh, dass ich nicht mit ihr geschlafen hatte. Allein der Gedanke, mein … Ich dachte ihn lieber nicht zu Ende, denn Pietschs Stimme bekam plötzlich einen drohenden Unterton.
»Und das soll auch so bleiben«, deklamierte er. »Hast du verstanden?«
»Was soll so bleiben?«, fragte ich erschrocken.
»Dass in meinem Wahlkreis das Verbrechen keine Chance hat!«
Pietsch ließ sich in seinen Ledersessel fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann erhob er sich wieder und befahl seiner Frau, einen neuen Wein zu servieren. Als er an seinem Schreibtisch vorbeikam, holte er eine Flasche Cognac hervor. »Vom französischen Ernährungsminister«, verkündete er stolz. »Den bekommen nur besondere Gäste.« Er reichte mir ein Glas und stieß mit mir an. »Und? Ist er nicht fabelhaft?«
»Das kann ich nicht beurteilen. Ich verstehe nur was von Bier.«
Pietsch stierte mich fassungslos an. »Dann mach endlich Karriere, Ulrich! Dann kannst du dir auch einen Cognac leisten. Du bist doch begabt!« Er blickte zum Kanzler der Einheit empor, dann schauten seine trüben Augen zu mir herab. »Vorher …« Er drohte wieder mit dem Zeigefinger. »Vorher musst du aber die Fronten wechseln. Sonst kriegst du hier kein Bein auf die Erde.«
Pietschs Frau brachte eine Flasche Rotwein ins Zimmer. Sie war, das musste man zweifellos anerkennen, eine attraktive Frau. Ihre recht üppigen Formen verpackte sie so geschickt, dass sie niemals dicklich wirkte. Zumindest nicht, wenn sie in der Öffentlichkeit auftrat und ihr soziales Herz ausschüttete. Sie konnte bisweilen sehr charmant sein und galt als optimale Ergänzung zum polternden Pietsch.
»Sei doch bitte nicht so laut«, ermahnte sie ihren Gatten. »Deine Tochter will schlafen.« Pietsch nickte unwirsch.
»Und trink bitte nicht so viel. Morgen bereust du wieder, was du gesagt hast.«
»Keine Angst, Frau Pietsch«, lächelte ich ihr zu und wies auf das Portrait. »Ich verrate nichts dem Dicken da oben.« Mir war aufgefallen, dass sie ihre Perlenkette abgelegt hatte. »Entschuldigen Sie, ich müsste mal …«
»Du kennst den Weg«, sagte Pietsch.
Ich ging nicht auf die Gästetoilette, sondern in Pietschs Privatbad. Durchs Fenster sah ich, dass sich Axel von der Leine losgerissen hatte und Pietschs Limousine anpinkelte. Braver Hund, dachte ich.
Die Perlenkette befand sich nicht im Bad, wie ich gehofft hatte. Ich versuchte es noch in der Gästetoilette, aber auch dort lag sie nicht. Wäre auch zu schön gewesen. Ich kehrte in Pietschs Arbeitszimmer zurück.
»Mein Mann wurde zu einem dringenden Telefonat gerufen«, sagte Frau Pietsch. »Er ist gleich wieder da.«
»Äh, Frau Pietsch, entschuldigen Sie bitte meine, äh, vielleicht etwas indiskrete Frage.«
»Ja?«
»Sie haben, als ich gekommen bin, so eine schöne Perlenkette getragen.«
»Ja und?« Ihr Gesicht war ein einziges Fragezeichen. »Meine Mutter hat bald einen runden Geburtstag und ich wollte ihr, da sie doch oft so viel Kummer mit mir hat, mal eine besondere Freude machen. Dürfte ich mir vielleicht, natürlich nur wenn es Ihnen keine Umstände bereitet, mal Ihre Perlenkette anschauen.«
»Die können Sie sowieso nicht bezahlen.«
»Mein Bruder und ich legen ja zusammen.«
»Selbst dann ist sie zu teuer.«
»Mein Vater will sich auch beteiligen.«
»Sie sind aber hartnäckig.«
Wir gingen ins Wohnzimmer. Frau Pietsch schritt voran, ich dackelte hinterher und verscheuchte aufkommende Phantasien.
»Schauen Sie sich die Kette genau an. Wer weiß, ob Sie jemals wieder ein solches Stück in die Hand bekommen.«
»Was ist sie denn wert?«, fragte ich, während ich die Kette durch meine Finger gleiten ließ. »Unschätzbar. Ein Einzelstück!« Pietsch rief meinen Namen. Ich hatte gesehen, was ich sehen wollte. Pietsch hatte die Gläser wieder gefüllt und kam endlich zur Sache. »Ich habe gestern von dem mysteriösen Verbrechen in der Zeitung gelesen«, begann er. »Das ist ja furchtbar! Ein Anschlag auf die freie Presse. Und das in meinem Wahlkreis.«
»Die Welt ist nun einmal schlecht, Herr Pietsch.«
»Ich denke, wir sind uns einig«, fuhr er mit sonorer Politikerstimme fort, »dass wir das Verbrechen aufs Schärfste bekämpfen müssen.«
»Da sind wir uns einig.«
»Wir sind uns auch sicher einig, dass wir bei der Verbrechensbekämpfung mit vereinten Kräften
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