Karlebachs Vermaechtnis
kämpfen müssen.« Ich nickte ein bisschen.
»Dann sind wir uns auch sicher einig, dass es deine Pflicht ist, mir als dem gewählten Vertreter des Volkes, der sich die entschiedene, kompromisslose Bekämpfung des Bösen auf die Fahnen geschrieben hat …« Er verlor den Faden und begann erneut. »Dass es deine Pflicht ist, mich zu informieren, wer …« Er holte den Zeitungsartikel hervor. »… wer diese Hintermänner sind, die dich verfolgen lassen, und welcher brisanten Geschichte du auf der Spur bist.« Pietsch bekam Schwierigkeiten, sich zu artikulieren. »Sie können unbesorgt sein, Herr Pietsch. Eine junge Praktikantin hat da Einiges durcheinander gebracht. Und etwas übertrieben. Sie war vorher bei einem Krawallblatt. Wir müssen noch etwas Geduld mit ihr haben.« Pietsch musterte mich misstrauisch.
»Mein Kollege hat heute, wie Sie gewiss gelesen haben, alles dementiert.«
»Dementis habe ich noch nie getraut.«
»Es ist eine alte Geschichte. Nichts von Bedeutung.«
»So? Dann kannst du sie mir ja erzählen, diese alte Geschichte!«
»Herr Pietsch, ich kann Ihnen doch nicht heute schon erzählen, was morgen oder übermorgen in der Zeitung stehen wird.«
Pietsch kniff die Augen zusammen.
»Das müssen Sie wirklich verstehen. Das ist eine Art Dienstgeheimnis.«
Pietschs Blick verdüsterte sich.
»Herr Pietsch, das ist vergleichbar mit … wenn Sie demnächst Wirtschaftsminister sind und einer Ihrer Mitarbeiter erzählt uns Journalisten schon heute, was Sie erst nächste Woche beschließen werden.«
Pietsch schien verstanden zu haben. Er schwankte zu seinem Schreibtisch und holte den Cognac hervor. »Du weißt also, dass ich als Wirtschaftsminister im Gespräch bin?«
»Bei Ihren Verdiensten um unseren Wahlkreis und dem zu erwartenden Wahlergebnis, Herr Pietsch, liegt das doch auf der Hand.«
Pietsch war geschmeichelt und prostete mir zu.
»Und außerdem, Herr Pietsch, steht doch der Kanzler der Einheit hinter Ihnen. Was könnte da noch passieren?«
»Du hast ja keine Ahnung«, entfuhr es Pietsch. »Ach ja?«, fragte ich beiläufig.
»Du weißt doch: Auch ich habe Feinde, die Sozis, ja selbst in meiner Partei kann ich nicht allen trauen.«
»Das hätte ich jetzt nicht erwartet«, log ich. Pietsch erhob sich und schob seinen Ledersessel dicht neben meinen. Sein Cognacglas zerschepperte auf dem Boden. »Macht nichts«, grinste er, »war eh schon leer.« Er schob mit seinem Pantoffel die Scherben unter den Teppich und rückte vertraulich an mich heran. »Ich muss wissen, ob du loyal zu mir stehst.«
»Herr Pietsch, Sie müssen doch wissen, dass uns politisch Welten trennen.«
»Ja, ja«, winkte Pietsch ab. »In zehn Jahren denkst du ganz anders. In meiner Jugend war ich auch Revolutionär.« Er rückte noch näher an mich heran. »Ich meine doch, ob du, wenn du was für die Zeitung schreibst, ob du dich auch an einer Schmutzkampagne beteiligen würdest? Wie ich gehört habe, bist du als Nachfolger für diese linke Wanze … pardon … Emanze im Gespräch. Für diese Frau Strohblume …«
»Heuberger.«
»Ist doch egal, wie sie heißt. Das ist ein verantwortungsvoller Posten. Wir werden dann öfter miteinander zu tun haben. Auf offizieller Ebene. Im Landtag. Das ist eine andere Dimension als der Posaunenchor.«
»Haben Sie etwas zu verbergen, Herr Pietsch?« Pietsch richtete sich auf und holte tief Luft. »Ich meine doch«, kam ich seinem Wutausbruch zuvor, »dass für den Fall, dass einer meiner Kollegen irgendetwas, was vielleicht gegen Sie verwendet werden könnte, ich betone: könnte! …«
Pietsch nickte mit gerunzelter Stirn.
»… dass ich dann vielleicht eingreifen und die Sache richtig stellen könnte.«
Pietsch knabberte an seinem Daumennagel. Ich fragte ihn, ob ich uns noch einen Cognac einschenken dürfe. Pietsch bejahte und nahm aus dem Holzkästchen ein neues Glas. Wir stießen wieder an. Ich war froh, dass ich neben einer großen Topfblume saß, denn ich wollte unbedingt nüchtern bleiben. »Wenn Sie mich für so vertrauenswürdig halten, dass ich, trotz unserer politischen Meinungsverschiedenheiten, in dieser Hinsicht etwas für Sie tun könnte …« Pietsch kippte sein Glas in einem Zug, ich leerte meines in den Blumentopf. »Sie müssten mir dann nur sagen, was ich wissen müsste.«
»Es ist vielleicht etwas pikant…«, suchte Pietsch nach Worten. »Du kennst doch auch diese Simona Zorbas …?«
»Das steht in der Zeitung.«
»Wir haben da mal was miteinander
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