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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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zum Kosten. Ich biss hinein und sofort stiegen mir die Tränen in die Augen. Jeder Winkel meines Mundes brannte wie Feuer, der Rachen, meine Speiseröhre, der Magen, sie lechzten nach Wasser. Ich bekam einen fürchterlichen Hustenanfall. Eli klopfte mir auf den Rücken und entschuldigte sich. »Ich vergaß, dass Sie Europäer sind.«
    Ebenso plötzlich wie Eli gekommen war, verschwand er wieder. »Schauen Sie bald bei mir vorbei«, rief er mir noch zu, dann hatte ihn die Menge verschlungen. Neben mir begannen sich zwei russische Frauen mit einem Obstverkäufer zu streiten, weil er ihnen angeblich zu wenig Wechselgeld herausgegeben hatte. Sie zogen mich als Zeugen heran, obwohl ich ihnen in allen Sprachen, die ich bruchstückhaft beherrschte, verdeutlichte, dass ich nichts gesehen hatte. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie mich verstanden. Ich sehnte mich nach Ruhe und beschloß, in Mustapha’s Restaurant einen Tee zu trinken. Als sich jedoch eine unüberschaubare Menschenmenge, die das Freitagsgebet in der Al-Aksa-Moschee besucht hatte, aus dem Damaskustor herausquälte, machte ich kehrt und trottete außen an der Stadtmauer entlang ins jüdische Viertel der Altstadt. Die meisten Läden und Imbissstuben hatten bereits geschlossen. Nur am Rande eines kleinen Platzes, auf dem ein paar Jungs mit einer leeren Plastikflasche Fußball spielten, standen noch ein paar Tische vor einem Lokal. Der Inhaber, ein bärtiger Koloss, lehnte träge in seinem Stuhl und blinzelte in die untergehende Sonne.
    Als ich bei ihm einen Orangensaft bestellte, erhob er sich behäbig und schlurfte in seinen Laden. Ich folgte ihm langsam. Wie in Zeitlupe teilte er einige Apfelsinen in zwei Hälften, legte sie in die Saftpresse, senkte behutsam den Hebel und presste sie aus. Der fruchtige Saft troff in einen Becher. »Schahbes, Schabbes!«, brüllten plötzlich zwei schrille Stimmen. Dann schepperte es, als ob Tische und Stühle umgeworfen würden. Mit einer Behändigkeit, die ich ihm nie zugetraut hätte, stürzte der Koloss hinaus. Zwei ultraorthodoxe Juden, die auf dem Weg zum Gebet an der Klagemauer waren, versuchten sich ihm in den Weg zu stellen. Ihre Schläfenlocken, die an der Seite unter ihren Pelzmützen hervorlugten, bebten. Der eine, mit einem schwarzen, dichten Bart und einer dicken Brille, riss wütend an dem Gürtel, der seinen Mantel zusammenhielt. Der andere, mit etwas dünnerem Bartwuchs, aber einer ebenso dicken Brille, hielt drohend ein schwarzes Gebetbuch in der Hand und schrie unentwegt »Schabbes! Schabbes!« Der Koloss packte beide am Kragen und drängte sie in eine schmale Gasse, die von dem Platz zur Klagemauer führte. Dann schritt er gemächlich zurück und stellte seine Tische und Stühle wieder auf. Aus sicherer Entfernung brüllten die beiden immer noch »Schabbes! Schabbes!«
    »Jeden Freitag das gleiche Theater«, brummte der Koloss und reichte mir meinen Orangensaft. Die Sonne war längst untergegangen und es war empfindlich kalt geworden, als ich in mein Hotel zurückkehrte. Ich traf Ahmed auf seinem Sofa sitzend, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Er starrte an die Zimmerwand. »He, was ist denn mit dir los?«
    Er deutete auf einen Berg Briefe, die sich auf dem wackeligen Tisch stapelten. Ahmed war also auf der arabischen Post in der Salah-Edin-Straße gewesen und hatte endlich sein Postfach geleert. »Alle wollen Geld von mir«, heulte er. »Gas, Wasser, Strom, Telefon…« Er hob beschwörend seine Hände. »Jesusmariaundjoseph, bei Allah und Mohammed, wovon soll ich die Rechnungen bezahlen?«
    »War für mich auch was dabei?«, stoppte ich sein Gejammer.
    Ahmed zeigte auf einen zweiten Stapel. »Und zwei Faxe sind angekommen.«
    Das erste Fax war von Stumpf persönlich. Die Reportage über die besetzten Gebiete sei eine Zumutung, schimpfte er. Die Leser verlangten von der Reiseseite Service und Information und ein paar anschauliche Beschreibungen von Kulturgütern, aber keine parteiische Politpropaganda. Dann lamentierte er noch über den Ärger mit den Anzeigenkunden und forderte eine unpolitische - das Wort hatte er zweimal fett unterstrichen - Schilderung von Land und Leuten und die Adressen von ein paar guten Restaurants und Unterkünften. So wie in meiner Geschichte über das Rote Meer. Ich warf das Fax beiseite und nahm mir vor, es Fatma zu zeigen.
    Das zweite Fax stammte von Helmut. Ob mir wohl die palästinensische Propagandaministerin den Kopf verdreht habe, fragte er, schrieb aber zugleich,

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