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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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dass er die Geschichte - und er hoffe, ich sei damit einverstanden - schon an eine linke christliche Monatszeitschrift verkauft habe. Dann berichtete er das Neueste aus der Heimat. Pietsch liege einer Umfrage der Lokalpost zufolge bei über fünfzig Prozent. Seine Wiederwahl gelte als gesichert. Auf dem Neujahrsempfang des Fabrikanten Frick habe er sich sehr selbstbewusst und siegessicher gezeigt und eine programmatische Wahlkampfrede gehalten, die begeistert aufgenommen worden sei. Auf dem Empfang seien auch Simona und Amacker aufgetaucht, Händchen haltend und turtelnd. Simona habe ihn keines Blickes gewürdigt. »Dass du in Israel bist und wegen der Geschichte vom Judenhaus recherchierst, scheint hier niemanden mehr zu beunruhigen. Vielleicht haben wir ja doch die Falschen im Verdacht. Oder an der Geschichte ist überhaupt nichts dran«, beendete er seinen Bericht.
    Ich griff zu den Briefen. Meine Eltern hatten zweihundert Mark beigelegt, was mir über die nächste Woche hinweghelfen würde. Deborah teilte mir noch einmal mit, dass ich sie sehr enttäuscht, ausgenutzt und gegen ihre Eltern aufgehetzt habe. Nichts in der Welt könne sie bewegen, noch einmal für mich nach Karlebachs Briefen zu suchen. Und die Pillen, die sie mir gegeben hatte, seien kein Valium gewesen, sondern ein Placebo. Dass ich auf dem Flug Höllenängste ausgestanden hatte, habe sie mit Freude zur Kenntnis genommen. Luder! fluchte ich.
    Als Letztes öffnete ich den Brief von meinem Kumpel Andi. Sein Brief war nur vier Tage unterwegs gewesen. Ich überflog einige Belanglosigkeiten, doch dann merkte ich auf. Ich verschlang jedes Wort. Was mir Andi berichtete, könnte mich bei der Geschichte vom Judenhaus ein ganzes Stück voranbringen.
    »Ahmed!« Ich sprang vom Stuhl und haute ihm auf die Schulter. »Lass uns zu Mustapha gehen. Ich gebe einen aus.«
     
    22
     
    Mustapha, Yassir, Zahi, ein Bruder von Doktor Naseer, und einige andere, die ich mittlerweile kennen gelernt hatte, saßen um einen runden Tisch im Hinterstübchen des Restaurants und ließen die Wasserpfeife kreisen. Als sie Ahmed und mich bemerkten, schauten sie sich kurz an, klatschten dann rhythmisch in die Hände und begannen zu singen und zu johlen.
    »Ihr habt ja mächtig gute Laune«, meinte ich, »das wird Ahmed gut tun. Er hat eine Menge Sorgen.« Einer nach dem anderen stand auf, klopfte mir auf die Schulter, beglückwünschte oder umarmte mich. Dann stimmten sie wieder in ihr Lied ein. Sogar Ahmed sang mit. »Darf ich fragen, was hier gefeiert wird?«
    »Deine Verlobung! Wir feiern deine Veriobung«. »Meine was?« Ich glaubte, ihn nicht richtig verstanden zu haben.
    »Deine Verlobung!«
    »Du spinnst!«
    »Was hat dir Umm Suitana prophezeit?«
    »Dass ich bald Vater werde und einen Sohn bekomme. Na und?«
    »Und mit wem hast du die halbe Nacht alleine in einem Auto verbracht?«
    »Mit Fatma.« Ich schaute in sieben breit grinsende Gesichter.
    »Wir hatten eine Panne. Yassir kann es bezeugen. Was ist dabei?«
    Einige schnipsten leise mit den Fingern den Rhythmus des Liedes weiter.
    »Yassir!« Ich rüttelte und schüttelte ihn. »Sag doch was!« Die Jungs begannen wieder zu singen und klatschten dazu im Takt.
    »Moment mal!« Ich griff zuerst nach Yassirs Arm, weil er mir als der Vernünftigste erschien, doch er ließ sich nicht beirren und sang, breit grinsend, unverdrossen weiter. Dann versuchte ich es bei Mustapha, bei Ahmed, bei Zahl, aber alle sangen, als ob ich gar nicht anwesend sei. »Seid ihr albern«, grunzte ich, lehnte mich beleidigt in meinem Stuhl zurück und wartete darauf, dass ihnen die Luft ausging.
    Einige Strophen später stand Yassir auf und führte mich an einen anderen Tisch. Mustapha servierte uns - immer noch feixend - zwei Tassen Tee.
    »Du musst jetzt ihre Eltern besuchen«, sagte Yassir beschwörend. »Du musst bei ihrem Vater und ihren Brüdern vorsprechen.«
    Mir wurde schwindelig. »Aber …«, stammelte ich. »Du hast mit ihr eine Nacht verbracht. Und Umm Suitana hat dir einen Sohn verheißen.«
    »Du bist doch verrückt!«
    »Wir Araber haben andere Sitten als ihr Europäer. Wer mit einer Jungfrau eine Nacht verbracht hat …«
    »Aber du weißt doch am besten, wir hatten eine Panne«, fuhr ich dazwischen.
    »Sie lag in deinen Armen.«
    »Weil sie gefroren hat und ich sie gewärmt habe.«
    »Ich habe gesehen, dass sie in deinen Armen lag. Das reicht. Und mein Wort zählt. Ich bin ein ehrbarer und angesehener Mann.«
    Mustapha setzte sich zu

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