Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
Wohnung verließ.
Er öffnete die Haustür einen Spalt und lugte vorsichtig nach draußen. Nichts Verdächtiges war zu sehen, auch keine Polizei. Karlo dachte an Sauer. Der trug nun seine Wohnungsschlüssel von Kiosk zu Kiosk spazieren und wahrscheinlich auch noch seine Sachen, die er ihm aus der Wohnung besorgen sollte. Leise Zweifel wuchsen in ihm. War das tatsächlich nur Zufall gewesen, dass gestern die Polizei so plötzlich vor Ort war? Andererseits, was könnte Sauer dazu bewegen, ihn zu verpfeifen? Ach, das war doch Quatsch. Karlo verwarf den absurden Gedanken wieder. Vielleicht hatte die Polizei die Gegend um seine Wohnung tatsächlich im Auge behalten.
Sauer ausfindig zu machen, war nicht schwer. Der Kiosk an der Cassellabrücke hatte schon geöffnet und Sauer lehnte so selbstverständlich neben dem Fenster, als gehöre er zum Inventar. Eine Flasche Bier stand neben ihm auf der Ablage. Der dürre Mann machte große Augen, als er Karlo erblickte. Er wollte etwas sagen, doch zuerst brachte er nur ein heiseres Krächzen heraus.
„Meine Schlüssel!“, fiel Karlo mit der Tür ins Haus. Da sah er den gepackten Rucksack neben Sauer stehen.
„Du hast also alles gefunden?“
Sauer hatte sich soweit gefangen, dass er wieder normal artikulieren konnte.
„Ich hab gedacht, die Bullen haben dich …“
„Versuch nicht zu denken, Sauer, da kommt wenig bei raus. Was ist nun? Hast du alles gefunden?“
„Ja schon, aber …“
Karlo fiel ihm ins Wort.
„Dann gib mir meine Schlüssel. Ich hab nicht viel Zeit.“
Süßholz-Sauer griff gehorsam ins Innere seiner Jacke, zog einen Schlüsselbund hervor und hielt ihn Karlo unter die Nase.
„Danke.“
Karlo hatte sich den Rucksack schon über die Schulter geworfen, als ihm noch etwas einfiel.
Er langte in seine Hosentasche, holte einen Zwanzig-Euro-Schein heraus, faltete ihn einmal längs und ließ ihn auf die Ablage segeln.
„Für treue Dienste“, beschied er dem verdatterten Sauer.
„War doch so ausgemacht, wenn ich mich nicht irre?“
Dann drehte er sich um und lief eilig die Jakobsbrunnenstraße entlang.
Als er nach ein paar hundert Metern noch einmal hinter sich schaute, sah er Sauer. Der stand auf dem Bürgersteig, die Hände in den Hosentaschen und starrte ihm nach.
Karlo dachte an sein Motorradgespann, das er jetzt gerne dabei gehabt hätte. Oder wenigstens ein Fahrrad. Dann schaltete er das Mobiltelefon ein.
–
Joe hatte nach dem zweiten Klingeln sein Handy ans Ohr gehalten.
„Hallo, Joe. Ich … nein, hör mir zu. Jetzt reg dich bloß nicht auf und lass mich erst mal ausreden. Wir müssen uns unbedingt treffen. Ich komm am besten gleich zu dir nach Hause.“
Er schoss bewusst ins Blaue, als er fortfuhr: „Du wohnst in der Bettinastraße, stimmt doch? Wo muss ich denn da klingeln?“
Wegener schien überrumpelt.
„Bei Stern“, gab er schnell zurück. Dann klang es, als hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen.
„Da können wir uns aber nicht … ach, scheißegal. Sag es mir doch gleich. Was willst du denn noch?“
„Das kann ich dir am Telefon nicht sagen“, wich Karlo unbestimmt aus. „Aber du hast recht. Die Bullen machen mir hinterher und ich muss sie dir ja nicht gerade ins Haus führen … wo wollen wir uns sehen? Mach du einen Vorschlag.“
Joe gab sich genervt.
„Muss das sein? Was gibts denn noch?“
Karlo ging nicht darauf ein.
„Kennst du den Getränkemarkt an der Ecke der Bregenzer Straße? Ja?“
Karlos Stimme klang beschwörend.
„Ich kenne den Typen dort. Da können wir uns im Büro unterhalten und keiner kriegt was mit. Joe, glaub mir, es ist wirklich wichtig. Ich hab richtig Probleme! In einer Stunde?“
Wegener schien zu überlegen.
„Na gut. Ich komm rüber.“
Er schaute auf seine Uhr.
„Um elf? Okay, bis dann. Wird vielleicht ein wenig später, lauf nicht weg.“
Karlo verstaute sein Handy wieder in der Jacke, nachdem er es ausgeschaltet hatte. Am Ende der Adam-Opel-Straße, bog er nach links Richtung Offenbach in die Carl-Benz-Straße ein.
Gegen halb elf überquerte er dann die Brücke nach Offenbach. Er ging weiter und erreichte die Bettinastraße. Nach ein paar Metern stand er vor dem Wohnblock. Er betrat den kleinen Weg, der rechtwinklig zur Straße zu den drei Eingangstüren der Wohnanlage führte. Nach der Hälfte des Blocks war das Haus, von einigen Säulen gestützt, über den Weg gebaut und bildete praktisch ein Dach darüber.
Hinter einer dieser Säulen fand er eine
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