Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
und bearbeitete auf diese Weise routiniert seinen Unterkörper. Was dem betreffenden Herrn sichtliches Vergnügen zu bereiten schien. Sein relativ junger und kräftiger Körperbau stand etwas im Gegensatz zu den gewellten eisgrauen Haaren auf seinem breiten Schädel. Es dauerte einen Augenblick, dann dämmerte es Karlo.
Diesen Mann kannte er!
Schnell wuchs in ihm das Gefühl, er solle besser Land gewinnen, bevor Joe wieder zu Bewusstsein kam. Er steckte die DVD in seine Jacke und verließ eilig die Wohnung, als er von unten vorsichtige Schritte vernahm. Die Haustür schien schon geschlossen zu sein und jemand stieg behutsam die Treppe nach oben. Gleich würde er die erste Biegung erreicht haben. Karlo wollte die Wohnungstür zuziehen, doch irgendetwas hatte sich am Boden zwischen Tür und Rahmen verklemmt. Er schaute nach unten und sah Wegeners linken Fuß, der die Tür blockierte. Beunruhigt ließ er die Klinke los und ging eilig nach oben in die nächste Etage. Er war nicht sicher, ob der neue Besucher ihn hatte hören können. Vielleicht war es ja ein ganz normaler Mieter, hoffte Karlo. Er traute sich aber nicht, nach unten zu schauen und blieb stocksteif stehen. Eine kurze Zeit war es still. Dann schien die Person die offene Tür entdeckt zu haben. Karlo vernahm ein leises Murmeln, dann hörte er ein gedämpftes Schleifen, bevor die Tür lautlos geschlossen wurde.
Karlo atmete erleichtert auf. Das wäre beinahe schiefgegangen. Zu gerne hätte er gewusst, wer da eben in Joes Wohnung eingedrungen war, und vor allem, was er da zu suchen hatte.
Enttäuscht und auch ein wenig resigniert appellierte er nun an seine eigene Vernunft. Sozusagen der rationale Notausgang. Er wollte sich nun schleunigst bei Gehring melden, nahm er sich vor, und hoffte, dass der ihm wenigstens ein Stück weit vertrauen würde. Karlo schwor sich heilige Eide: Wenn das hier erledigt wäre, würde er nie mehr in eine solche Situation geraten. Diese Art Schwüre hatten bei Karlo eine lange Tradition.
Einen Treppenabsatz weiter unten versicherte er sich noch einmal: Die Tür war nun tatsächlich geschlossen und die unbekannte Person in der Wohnung verschwunden.
Karlo huschte flink die Treppe hinunter und verließ das Haus. Er schaltete sein Handy erneut ein und wählte Hauptkommissar Gehrings Nummer.
–
„Erschossen? Wie kommen Sie denn darauf? Was? Hund und Haffmann haben gesagt … ach was, Unsinn! Die Frau wurde nicht erschossen, die wurde doch …“
Hauptkommissar Georg Gehring brach seine Rede ärgerlich ab und fühlte Wut in sich aufsteigen über seine Offenherzigkeit. Welcher Teufel ritt ihn denn, dass er diesem Kölner Informationen zukommen ließ?
„Sehen Sie zu, dass Sie heute noch hier antanzen. Wenn Sie sich weiter einer Vernehmung entziehen, helfen Sie sich ganz bestimmt nicht weiter. Sie stecken schon wieder bis zum Stehkragen in Schwierigkeiten. Und Sie tragen selbst Schuld daran. Haben Sie verstanden? Was sagen Sie? Wie bitte? Meinen guten Kaffee? Sie sind ja gut!“
Dieser Kölner! Schon wieder dieser Kölner! Und noch fast fünfzehn Jahre bis zur Pensionierung! Wie sollte er das überstehen? Dann fasste er sich wieder halbwegs. Leise und mühsam beherrscht sprach er in den Hörer. Einen beißenden Zynismus, der langsam seinen Siedepunkt erreichte, konnte er nicht verhindern.
„Kaffee?“, flötete er gespielt beflissen in den Hörer, „aber selbstverständlich der Herr, ganz zu Ihren Diensten. Natürlich bekommen Sie Ihren Kaffee. Und wir haben noch ein Dutzend verschiedene Sorten Kuchen und Torten zur Auswahl, die wir dazu reichen könnten. Oder wäre dem Herrn Baron vielleicht ein herzhaftes Stück Elsässer Flammkuchen angenehmer?“
Dann verließ ihn wieder die Geduld und er wurde lauter.
Viel lauter.
„Kommen Sie her, Kölner! Sofort. Sonst bring ich Sie rein und sorge persönlich dafür, dass Sie die nächsten fünfzehn Jahre nicht mehr rauskommen. Und ich kriege Sie, verlassen Sie sich drauf,
ich
kriege Sie!“
Das war angekommen. Karlo war sichtlich beeindruckt. Der Hauptkommissar schien ernsthaft verärgert zu sein.
„Alles klar, Herr Gehring, ich wollte doch sowieso … ich meine, deshalb habe ich doch … hallo, hallo, Herr Hauptkommissar …“
Georg Gehring hatte aufgelegt.
Karlo blies die Backen auf. Es schien dem Kommissar einiges an seiner unverzüglichen Gesellschaft zu liegen.
Und es hatte geklungen, als ob er dem Wunsch zu seinem eigenen Besten schnellstens nachkommen sollte.
Am
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