Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
schon erraten. War ja auch nicht schwer. Wir haben da eine, na ja, nennen wir es mal Wohngemeinschaft. Mit ein paar Mädels, die sich die Wohnung für ihre Arbeit teilen. In einer Woche soll die Einführung sein.“
Er hielt inne und lachte kurz auf, als er die ungewollte Doppeldeutigkeit seiner Äußerung bemerkte. Einführung, ja, das war gut. Amüsiert erklärte er weiter.
„Die erste der Damen ist schon mal hier, um den Betrieb zum Laufen zu bringen. Und zwar meistens in der Zeit von zwei Uhr nachmittags bis zwölf Uhr nachts. Wenn sich an den Zeiten was ändert, kriegst du das schon mit. Sollte eins von den Hühnern Überstunden machen wollen, ist das ihre eigene Sache.“
Kurz schaute Joe auf und prüfte Karlos Reaktion. Der hatte aufmerksam zugehört, dabei aber nicht mit der Wimper gezuckt.
„Deine Aufgabe ist es lediglich, vor Ort zu sein. Ab und zu nach dem Rechten zu sehen, und wenn die Mädels beschäftigt sind, mal auf Zuruf was einzukaufen oder zu reparieren und vor allen Dingen das hier!“ Joe unterbrach seine Erklärungen, machte ein wichtiges Gesicht und deutete mit dem Zeigefinger in die Wohnzimmerecke.
„Das hier ist ein Alarmsignal. Wenn irgendein Freier schräg drauf ist oder sonst etwas nicht stimmt, können sich die Mädels damit bei dir bemerkbar machen. Dann machst du dich schnell nach unten und bringst alles wieder ins Lot, wenn du weißt, was ich meine. Ich denke, das kriegst du geregelt, oder? Du hast immer noch einiges drauf, das seh ich doch. Ja, und das ist schon deine ganze Arbeit. Den Rest der Zeit kannst du machen, was du willst. Na, wie hört sich das an?“
Gespannt hatte Karlo gelauscht. Viel mehr als einen halben Tag musste er bei seinem Bekannten Herbert Reinfeld in dessen Dietzenbacher Metallfirma sowieso nicht vor Ort sein. Und wenn es nicht um eine eilige Auslieferung ging, konnte er sich seine Arbeit schon ziemlich frei einteilen. Er würde mit Herbert reden, klar, aber das müsste schon irgendwie hinhauen.
„Wie viel?“
Joes schlaues Lächeln versickerte dünn auf halbem Weg. „Zweihundert. Komplett mit allem. Ich erwarte allerdings, dass du mir hier keinen Saustall draus machst, verstanden?“
Die beiden Männer waren mittlerweile in der Küche angekommen. Karlo saß am Küchentisch. Joe hatte den Kühlschrank geöffnet und Kölner schaute verwundert zu, wie sein alter Kumpel zwei Flaschen Bier herauszog. Mit einem Springmesser, das mit einer flinken Bewegung aus seiner Hosentasche zum Vorschein gekommen war, sprengte er die Kronkorken vom Flaschenrand. Karlo griff schnell zu, als er sah, wie der Schaum langsam aus dem Hals der Flasche quoll, und sog kräftig daran.
„Prost, Alter. Wir sind uns einig?“ Ein siegessicherer Zug lag um Joes Mundwinkel und er schaute Karlo erwartungsvoll an.
„Prost, Joe. Ich schlaf noch mal drüber. Lass mir einen Tag Zeit. Ich ruf dich morgen an …“
Die nächste Dreiviertelstunde gehörte im Wesentlichen einer Retrospektive des Pokalendspiels von 1988 und der Vernichtung von zwei weiteren Flaschen Bier.
Später sperrte Joe die Wohnung ab. Dann machten sich beide Männer auf den Weg nach unten.
„Bist du mit dem Auto hier oder kann ich dich mitnehmen? Ich muss heute sowieso noch mal nach Offenbach rüber. Da kann ich den Schlenker über Oberrad gerne fahren.“
Karlo wehrte ab.
„Nein, danke, ich bin mit dem Fahrrad da, lass mal.“
„Wie du willst. Da bleibst du wenigstens fit, was?“
Auf dem Weg nach unten hatte Karlo den Schlüssel für sein Fahrradschloss schon gezückt. Die breiten Schultern seines alten Bekannten verdeckten die freie Sicht auf sein abgasfreies Verkehrsmittel.
Karlo schwante nichts Gutes, als er den hämischen Blick Joes bemerkte, den dieser ihm über die Schulter zurückschickte.
„Wie bist du denn mit diesem Ding hergekommen? Trägst du deine Fahrzeuge immer mit dir rum?“
Mit einer bösen Vorahnung überholte Karlo seinen Bekannten auf den letzten Treppenstufen. Dabei erkannte er die Bescherung.
Zumindest war sein Fahrrad dieses Mal nicht gestohlen worden. Es war noch immer sicher am Treppengeländer angeschlossen. Allerdings fehlten die wesentlichsten Merkmale eines solchen Fortbewegungsmittels. Denn irgendjemand hatte die fast neuen Aluräder demontiert und mitgenommen.
Und auch der feine englische Sattel war augenscheinlich einem Kenner in die Hände geraten!
Mit großer Mühe beherrschte sich Karlo. Er wollte vor seinem alten Freund nicht den Eindruck erwecken,
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