Karma-Attacke (German Edition)
wäre. Nie hätte er das selbst gemacht, aber wenn ein Deutscher es auf Schweizer Boden tat - konnte man glatt neutral bleiben. Bringt euch gegenseitig um, so viel ihr wollt, dachte er, aber lasst uns da raus.
«Wir haben begonnen», sagte er, «sämtliche Hotels und Fremdenzimmer der Stadt zu kontrollieren. Da der Mörder offensichtlich von außerhalb angereist ist, sehen wir die Chance …»
Es gehörte offensichtlich nicht zu van Eckens hervorstechenden Eigenschaften, Menschen ausreden zu lassen. Er stand unter unglaublichem Zeitdruck. Vermutlich hatte er das Gefühl, ganz nahe dran zu sein, und wollte zuschlagen. Neben ihm stand diese übernächtigte Staatsanwältin, die aussah, als würde sie bald von einer schweren Krankheit dahingerafft werden, und auf der anderen Seite eine ungewöhnlich ausdrucksstarke Blondine, die er noch verächtlicher behandelte als seine Schweizer Kollegen. Sie hatte sich selbst vorstellen müssen, ihr Name war Zablonski. Wys hatte schnell erkannt, dass sie nur dabei war, weil Staatsanwältin Benthin es wünschte. Ihre Funktion kannte er nicht und er fragte auch nicht danach.
«Unser Mann», sagte van Ecken barsch, «nistet sich nicht in einem Hotel ein.»
«Wo soll er dann bleiben?», fragte Wys. «Glauben Sie, so jemand hat Komplizen? Aller Erfahrung nach sind psychopathische Mörder Einzelgänger. Und wenn es sich hier nicht um einen Psychopathen handelt, weiß ich nicht, was der Ausdruck bedeuten soll.»
Van Ecken nickte. Es nervte ihn, lange Erklärungen abgeben zu müssen, aber er tat es trotzdem. «Ja, ja, ja. Nur wird dieser Mann, wenn er irgendwo schlafen will, einfach an eine Tür klopfen, die Leute, die dort wohnen, töten und so lange bleiben, bis er den Kühlschrank leer gegessen und sich ausgeschlafen hat. Dann zieht er weiter. Verstehen Sie? Genau so schätze ich ihn ein.»
Wys erschrak. Er fühlte sich augenblicklich überfordert. «Aber ich werde die Überprüfung auf keinen Fall abbrechen. Das muss fortgeführt werden. Man würde uns sonst Vorwürfe machen. Was schlagen Sie ansonsten vor?»
«Wenn ich mich einmischen darf?», fragte Frau Zablonski zaghaft.
Frau Benthin nickte ihr zu, während van Ecken wütend auf seine Schuhspitzen starrte.
Frau Zablonski blickte Wys tief in die Augen, so als wollte sie etwas über ihn herausfinden. Das Wort «Irisdiagnose» fiel ihm ein. Er wusste nicht, wo er es gelesen hatte, aber er spürte, dass so etwas gerade mit ihm geschah. Ihm war nicht recht wohl dabei. Dann sprach sie vorsichtig, mit leiser Stimme: «Es kann sein, dass sich ein Mann namens Joachim Ackers in einem Hotel einschreibt. Es wäre wichtig für uns, dies sofort zu erfahren. Ackers wird uns zu ihm führen.»
Natürlich wollte Wys sofort wissen, warum.
Van Ecken ging die Geduld aus. «Bitte», sagte er, «wenn Sie Lust haben, dieses Kaffeekränzchen fortzusetzen, vielleicht könnten Sie sich gleich in Ruhe darüber unterhalten und Ihre Theorien vor Herrn Wys ausbreiten. Sie werden ihn sicherlich brennend interessieren. Ich für meinen Teil habe einen Serienkiller zu fangen.» Dann wandte er sich beschwörend an Wys. «Wir müssen auf ganz was anderes achten. Kleine Besonderheiten, Abweichungen von der Normalität, der alltäglichen Routine. Jemand, der sich plötzlich nicht mehr meldet. Eigentlich zu einer Party erscheinen sollte, aber nicht kommt. Sich nicht abgemeldet hat. Jemand, der unentschuldigt bei der Arbeit fehlt.»
Wys nahm den Zettel mit den Meldungen des Tages zur Hand. Eine Kleinigkeit war ihm aufgefallen. «Meinen Sie so etwas?», fragte er. «Zwei Kanalarbeiter, die sich nach der Arbeit nicht in der Dienststelle zurückgemeldet haben und auch zu Hause nicht aufgetaucht sind. Sollen wir uns darum wirklich kümmern? Wahrscheinlich sitzen die beiden im Wirtshaus und …»
«Wo war die letzte Einsatzstelle?»
«Hirschenplatz. Sie haben ihre Arbeit noch ordnungsgemäß erledigt und dann …»
Ohne ein weiteres Wort stürmte van Ecken aus dem Raum.
82
Sie verließen das Hotel erst im Schutz der Dunkelheit. Die Geschäfte in der Einkaufszone hatten schon geschlossen. Aus den Schaufenstern fiel Licht auf die Straßen. Es war kaum noch jemand unterwegs.
Dass die beiden Männer so um ihre Gunst rangen, verschaffte Vivien die Oberhand. «Ich gehe da nicht mit runter. Tom bleibt bei mir», sagte sie entschieden. Professor Ullrich sah kränklich aus. Enttäuscht und verletzt. Einen Moment lang schien sogar seine Unterlippe zu zittern. So
Weitere Kostenlose Bücher