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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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nur verletzt war oder tot, ließ van Ecken erschaudern. Nein, er wollte ihn hier erlegen, im Schein der Laternen. Sollte er nur ganz rauskommen aus dem Scheißschacht, dann würde er ihn mit Blei voll pumpen. Kein Notarzt sollte die Chance haben, seine Wiederbelebungskünste an diesem Mann zu erproben.
    Van Ecken sah sich schon aus kürzester Entfernung den Lauf auf Ullrichs Stirn richten und abdrücken, doch der Professor war viel schneller und gelenkiger, als van Ecken vermutet hatte. Er zog sich nicht langsam aus dem Gullyloch nach oben, sondern federte heraus, als stünde dort unten ein Trampolin. Schon stand er breitbeinig über dem dunklen Loch, geduckt wie ein Raubtier vor dem Sprung. Van Ecken meinte sogar, ein Fauchen zu hören.
    «Nicht schießen!», schrie Vivien hinter ihm. «Nicht schießen!»
    «Hände hoch, du verdammter Mistkerl! Hände hoch!», brüllte van Ecken. Und dann sah er den Professor merkwürdige Armbewegungen machen. Es sah aus, als zeichne er Kreise und Spiralen in die Luft. «Was macht der da?», fragte er Vivien, als müsse die es wissen.
    Und in der Tat kam von hinten die Antwort: «Er zieht einen Schutzkreis um sich. Das Tscho-Ku-Re. Das ist ein Ritual.»
    «Was für ein Ritual? Lass die Scheiße, Professor! Heb die Pfoten hoch und…»
    Konzentriert beendete der Professor sein Werk, wie ein Tänzer, der sich warm macht vor dem großen Auftritt. Immerhin blieb van Ecken so die Zeit zu erkennen, dass der Mann keine Waffe trug. Einerseits beruhigte ihn das, andererseits gefiel es ihm nicht. Ein tödlicher Schuss auf einen Unbewaffneten würde eine Menge Probleme nach sich ziehen. Immerhin, dachte er, ich kann sagen, bei den Lichtverhältnissen … Außerdem hat er schließlich mit bloßen Händen getötet. Menschen zerrissen. Ich musste das Mädchen schützen.
    Tom war nicht weit. Er nutzte die gespannte Situation, um sich von hinten heranzupirschen.
    «Vivien, Vivien! Komm her, Vivien!», flüsterte er.
    Langsam, mit erhobenen Händen, begann der Professor sich auf van Ecken zuzubewegen. Hätte van Ecken nicht sowieso vorgehabt, ihn zu töten, spätestens jetzt wäre ihm klar geworden, dass er es tun musste. So, wie dieser Mann auf ihn zukam, wusste er: Der ergibt sich nicht, der will mich vernichten. Der mustert mich wie ich in der Mittagspause die Hähnchen am Grillstand und überlegt, was von mir er als Erstes verspeisen möchte.
    «Bleib stehen! Du sollst stehen bleiben!»
    Der Professor kam näher.
    Kalte Furcht erfasste van Ecken. Er wusste nicht mal, ob er seine Waffe entsichert hatte, er war völlig durcheinander. Seine Hände wurden schwitzig, und er fürchtete, die Waffe könnte ihm entgleiten.
    «Was war das für ein Ritual? Was sollte der Scheiß?»
    Vivien hielt ihn noch immer umklammert. «Er hat einen Schutzkreis gezogen. Der macht ihn unverwundbar.»
    Van Ecken lachte. «Ich glaube nicht an Rituale!», schrie er, um sich selbst Mut zu machen. Viviens Worte stürzten ihn in ein Gefühl absoluter Unwirklichkeit.
    «Das ist dem Ritual völlig egal. Es weiß ja nicht einmal, dass Sie existieren.»
    Van Ecken feuerte.
    Der ohrenbetäubende Knall fraß für einen Moment jedes andere Geräusch. Vivien ließ van Ecken los.
    Bei den Schießübungen hatte er immer Ohrenschützer aufgehabt. So stand es in den Dienstanweisungen, schließlich sollten nicht lauter taube Leute bei der Kripo herumlaufen. Der Krach der eigenen Waffe erschütterte ihn, es tat richtig weh in den Ohren. Nie war ihm so klar gewesen, warum es Schreckschusspistolen gab. Und wenn das Geräusch schon so furchtbar war, wie schlimm musste dann erst eine Verletzung sein, wenn man von dieser Kraft getroffen wurde?
    Aber der Professor brach nicht zusammen. Er machte kehrt und rannte.
    Van Ecken schickte ihm zwei Kugeln hinterher. Vivien kauerte sich neben einem Schaufenster zusammen, hielt sich die Ohren zu und presste ihr Gesicht gegen die Knie. Mit einem Sprung nach links verschwand der Professor aus van Eckens Sichtfeld. Der stürmte hinterher und schoss noch einmal, fast blind vom Schwefelqualm. Scheiben klirrten. Der Professor rannte immer noch vor ihm her. Van Ecken konnte nicht fassen, dass er ihn jedes Mal verfehlte.
    Am Mühlenplatz blieb er abgehetzt stehen. Falls er richtig mitgezählt hatte, befand sich nur noch eine Kugel im Magazin. Er zog das Reservemagazin aus dem Gürtel und schaute sich nach rechts und links um. Hier irgendwo musste der Mann sein. Aber der Platz war menschenleer. Vielleicht dort,

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