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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Stromschlägen, dann fiel sie in den Beifahrersitz zurück. Die Verkrampfung ihrer Muskulatur löste sich. Schlapp lag sie da, wie jemand, der ein schweres Betäubungsmittel bekommen hatte.
    Ihre Fingernägel hatten sich unter ihren Jeansshorts so tief in die Oberschenkel eingegraben, dass Blutflecken durch den Stoff sickerten, wie von den Krallen eines Raubtiers. Mit kaltem Blick schätzte Professor Ullrich ab, dass die Wunden schmerzhaft, aber nicht wirklich gefährlich waren. Irgendwann würde es von allein zu bluten aufhören. Er konnte jetzt nicht viel für sie tun. Sie mussten hier weg.
    Er holte eine Rolle Isolierband aus dem Handschuhfach. Mit den Zähnen knabberte er den Anfang los, dann wickelte er es ein paar Mal um Vivien und den Sitz. Sie klebte jetzt daran fest, verschnürt wie ein Paket. Ihre Atmung veränderte sich. Es gelang ihr, Professor Ullrich zu fokussieren. Die Augäpfel gehorchten ihr wieder, aber die Unterlippe hing noch schlapp herunter, und auch der Rest der Muskulatur reagierte noch nicht auf die Befehle aus dem Gehirn. Als würde ihr Körper nicht zu ihr gehören. Erst langsam trat sie wirklich wieder in ihn ein und gewann die Kontrolle zurück. Vivien kannte das aus einigen sehr tiefen Rückführungen. Das Bein musste erst wieder begreifen, dass es ihr Bein war. Sie musste erst vollständig in den Körper zurück, damit er sie wieder als Chefin akzeptieren und gehorsam jeden Befehl ausführen würde, als sei es sein eigener Wille.
    Etwas in ihr forderte blutiges Fleisch. Während ihr Verstand dagegen rebellierte, dass Professor Ullrich sie an den Sitz gefesselt hatte, spürte sie die irre Gier, ihn in den Hals zu beißen. Seinen Brustkorb aufzuknacken, wie bei einem Hähnchen, das geteilt werden musste, und den Kopf in seine Innereien zu vergraben. Sie sah sich, wie sie ihm mit den Zähnen das Herz herausriss. Es pochte noch zwischen ihren Lippen.
    Erschrocken von der eigenen Vision hörte sie sich fragen: «Wie viele Leben hatte ich auf Thara?»
    Professor Ullrich war erfreut über ihre Frage. Damit hatte er wieder Kontakt zu ihr, und nur darauf kam es an. Solange er mit ihr in Kontakt stand, konnte er sie überallhin begleiten und überall herausholen. So lange war kein Zustand wirklich gefährlich. «Ich weiß es nicht, Vivien. Warum fragst du?»
    Ohne Rücksicht auf das Fahrzeug jagte er gnadenlos auf dem Waldweg weiter.
    Sie schluckte. Gern hätte sie eine Cola getrunken. Selbst den dünnen Kliniktee hätte sie jetzt gern gehabt, denn sie hatte das Gefühl, dass geronnenes Blut ihren Hals verklebte und ihr das Sprechen schwerer machte als Wüstensand.
    «War ich immer eine Tschika aus Droba?»
    «Wir sind immer in dieses Leben zurückgegangen, Vivien. Weil es deine Existenz im Heute am meisten beeinflusst. Das, was die anderen Ärzte deine Wahnvorstellungen nannten, waren Erinnerungen aus diesem Leben. Darum habe ich dich immer wieder bewusst dorthin zurückgeführt. Du solltest es dir anschauen, es integrieren in dein Leben, damit …»
    Sie versuchte sich im Sitz zu bewegen, aber es gelang ihr nicht. Zwar gehorchten ihr die Muskeln wieder, doch wurde sie jetzt von dem Klebeband gehindert.
    «Das weiß ich alles!», schrie sie. «Das weiß ich alles! Sag mir, wie viele Leben ich auf Thara noch gehabt habe, bevor ich auf die Erde kam!»
    Für den Bruchteil von Sekunden schielte der Professor zu Vivien herüber, statt den Waldweg zu beobachten. Es tat einen Schlag. Der Wagen hopste.
    Professor Ullrich zuckte mit den Schultern. «Ich weiß es nicht, Vivien. Aber wir können es herausfinden. Sobald wir im Ferienhaus sind. In wenigen Stunden. Ich führe dich nach Thara zurück. Sooft du willst. Du wirst alles erfahren. Mein Interesse daran ist genauso groß wie deines. Ich werde nicht mehr zurückgehen in diese Scheißklinik. Hab keine Angst. Ich lasse dich nicht allein. Ich bleibe bei dir. Wir müssen da durch. Gemeinsam.»
    Sie nickte und biss auf die Zähne. Ja, sie würde sich von ihm nach Thara zurückführen lassen. Es war ihre einzige Chance, irgendwann wieder ein normales Leben zu führen.
    «Mach mich jetzt los», sagte sie. «Ich krieg kaum Luft.»
    Die Schultern nach vorn gezogen, das Kinn übers Lenkrad gereckt, raste er weiter, als ob er sie nicht gehört hätte. Das kannte sie. Wenn ihm etwas nicht passte, ignorierte er es einfach.
    Sie brüllte mit aller Kraft: «Mach mich los!»
    Er schüttelte den Kopf. «Jetzt nicht, Vivien. Später.»
    Vivien wusste, dass sie keine

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