Karma-Attacke (German Edition)
der Massage ein bisschen aufzulösen.»
«Spüren Sie da etwa irgendwas in meinem Körper?»
«Aber selbstverständlich. Alles spiegelt sich in den Füßen. In den Händen übrigens auch und in den Ohren.» Sie sprach weiter, wie zu sich selbst. «Alles spiegelt alles. Im Kleinsten kann man immer das Größte erkennen. Ein Staubkörnchen oder das Universum. Wenn man das eine genau anschaut, erkennt man das andere.»
Jetzt wurde sein Hals warm.
«Bilde ich mir das nur ein, oder geschieht hier wirklich was mit meinem Hals?»
Sie schaute von unten nicht seinen Fuß an, sondern sein Gesicht.
«Es gibt etwas, das Ihr Herz längst weiß. Aber Sie wollen es nicht sagen. Sie halten es zurück. Das ist die eigentliche Ursache der Blockade.»
Etwas in ihm wehrte sich, nannte das alles Hokuspokus. Während sein Körper sehr deutlich spürte, dass etwas dran war an ihren Griffen und Druckpunkten, leugnete sein Verstand die Möglichkeit, durch eine Berührung der Füße eine Reaktion im Hals auszulösen.
«So etwas gibt es nicht. Ich sage, was ich denke.»
Er sprach den Satz im Brustton der Überzeugung aus, aber das beeindruckte Frau Zablonski überhaupt nicht. Sie massierte ruhig weiter. Der stechende Schmerz schwoll ab wie ein störender Ton, der noch eine Weile nachklang. Unwillkürlich musste Ackers schlucken und sich räuspern.
«Es wird bald herauskommen. Das ist auch gut so. Lassen Sie es einfach geschehen. Wenn Sie es lange zurückhalten, wird sich im Laufe der Leben daraus eine Krankheit manifestieren. Vermutlich Kehlkopfkrebs.»
Jetzt reichte es ihm wirklich. Die Frau begann ihm Angst zu machen. Trotzdem überließ er ihr weiter den Fuß.
Sie zog nun die Socke vom rechten Fuß und begann dort mit der Massage. Er schwieg und spürte nur noch in den Fuß hinein. Auch sie sagte nichts mehr. Sie konzentrierte sich ganz auf den Kontakt von ihrer und seiner Haut.
Dann löste sie an der gleichen Stelle wieder den Schmerz aus.
«Hier ist es wieder», sagte sie. «Es wird schon besser.»
«Wie können Sie das spüren?»
«Es fühlt sich plötzlich an, als würde man die Finger in eine Packung Zucker drücken oder einen Sack Sand.»
Wieder musste er schlucken. Sein Hals verschleimte. Er schlürfte den Tee.
Im beginnenden Morgengrauen lag er dann in ihrem Behandlungszimmer auf dem Sofa. Er war barfuß. Sie hatte Wolldecken um seine Füße gewickelt und auch noch seine Hände und sein Gesicht massiert.
Schwer und ruhig lag sein Körper unter einer Daunendecke. Es kam ihm vor, als würde sein Körper schlafen, aber sein Geist war hellwach. Denkverbote und Beschränkungen gab es nicht mehr. Die hatte er mit seinen Kleidern abgelegt. Der ganze Zivilisationsmüll schien dort drüben über der Stuhllehne zu hängen. Was noch an ihm geklebt hatte, hatte sie aus dem Körper herausmassiert.
Als sie ihn gebeten hatte, sich auszuziehen, hatte er sofort verstanden, dass das nicht sexuell gemeint war, sondern ein Symbol dafür, sich frei zu machen von allen Zwängen. Er hatte sich überhaupt nicht dabei geniert, und sie hatte ihm nicht mal zugesehen, sondern in der Zeit eine CD aufgelegt. Als sie sich wieder umdrehte, lag er bereits nackt unter der Decke. Nur seine Füße guckten unten heraus.
«Professor Ullrich», sagte er, «hat das alles ganz anders gemacht.»
«Ich weiß», antwortete sie gelassen. «Wir sind verschiedene Menschen, darum tun wir die gleichen Dinge auf unterschiedliche Arten. Wichtig ist nur, dass wir alle das tun, von dem wir fühlen, dass es richtig ist.»
«Und dazu gehört bei Ihnen, dass man sich auszieht?»
«Nein. Nicht immer. Nur jetzt bei Ihnen. - Sind Sie jetzt bereit, mit mir zurückzugehen?»
«Ja, das bin ich.»
«Dann werden wir uns gleich gemeinsam ansehen, wann Sie den Personen, mit denen Sie Schwierigkeiten im Jetzt haben, schon einmal begegnet sind. Für die Dauer der Rückführungen möchte ich Sie wieder duzen. In Ordnung?»
«Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass das wirklich …»
«Gestatten Sie jetzt Ihrem Verstand, für eine Weile auszuruhen. Später kann er seine Einwände wieder vorbringen.»
«Ja, ja. Sie haben ja Recht. Ich versuche es.»
«Es ist keine Anstrengung nötig. Es ist alles bereits da. Wir müssen nichts herbeischaffen. Der Verstand muss der Seele nur die Freiheit geben, sich die Dinge anzuschauen.»
Er folgte ihren Worten, die ihm langsam den Tunnel öffneten in Welten, die tief in ihm verborgen waren. Zunächst kamen keine Bilder, sondern
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