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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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anderen Worten: Ich wollte niemanden, der sich nicht für etwas Besseres hielt. Aber im Moment war ich nicht wirklich in der Position zu argumentieren.
    »Wann kommen sie denn?«, fragte ich ausgesprochen langsam.
    »Nächste Woche«, verkündete mein Vater. »Und sie können es kaum abwarten, dich kennen zu lernen.«
    ★ ★ ★
    Meine Eltern hatten mir den Farbentwickler aus dem Fotogeschäft gekauft! Und dazu das passende Zubehör für meinen Vergrößerer, die Chemikalien, das Papier – bis hin zur Druckwalze! Ich konnte es gar nicht fassen, denn ich hatte vorher überhaupt keine Pakete in unserem Haus gesehen. Zugegeben, sie hatten außerdem noch zwei Rahmen gekauft, und zwar solche, in denen schon Fotos drin waren: Bei dem ersten handelte es sich um einen goldenen Kitschrahmen mit einem Foto, auf dem ein grinsender Retriever zu sehen war, der von einem ziemlich schleimigen Jungen umarmt wurde; der andere war herzförmig, darin ein Foto von einem Bräutigam, der seiner Braut vor einem Sonnenuntergang den Schleier hob. Ich bezweifelte, dass es bei diesem Geschenk um die Rahmen, sondern vielmehr um die Fotos ging. Vermutlich war es ein kleiner Wink meiner Eltern, welche Art von Fotos ich am besten mit meinen neuen Spielsachen anfertigen sollte. Diese Überlegung wurde dadurch untermauert, dass sie die Rahmen samt Inhalt sofort auf dem kleinen Regal im Windfang aufbauten.
    Aber ich konnte mich nicht wirklich beschweren. Dank ihrer außerordentlichen Großzügigkeit hatte ich fast alles zusammen, um Farbfotos zu entwickeln.
    Schließlich öffnete ich auch das Päckchen, das sie mir für den Schluss aufbewahrt hatten. Zum Vorschein kam ein echter Hammer: ein Salwar Khameez, eines dieser indischen Outfits, das aus einer weiten Hose, einem lan gen Top und einem Schal besteht. Das Ganze sah wie ein Hochzeitskleid aus, denn Rot, die Farbe der Fruchtbarkeit, war in den meisten Regionen Indiens die Hochzeits farbe (Weiß, die Farbe ohne Farbe, war die der Trauer).
    »Der war sogar noch teurer als der für Sangitas Hochzeit«, sagte meine Mutter, als hätte sie mich gehört. »Führ ihn uns doch mal vor.«
    Ich starrte immer noch völlig entgeistert auf diese knallrote Kluft und fragte mich, wo bloß immer meine Sonnenbrille war, wenn ich sie am dringendsten brauchte.
    »Na los«, sagte meine Mutter.

8. KAPITEL
Südasiatische Identität
    »Beta, komm hoch! Ich hab das Auto gehört!«, rief mein Vater zu mir in die Dunkelkammer herunter. Ich war so sehr in Gedanken und mit dem Aufbauen meiner neuen Sachen beschäftigt, dass ich gar nichts gehört hatte. Widerwillig ging ich nach oben. Und er hatte Recht gehabt. Kaum war ich da, klingelte es auch schon.
    »Sei bitte nett zu deiner Cousine«, flüsterte mir meine Mutter zu (als ob ich irgendetwas anderes vorgehabt hätte) und dirigierte mich Richtung Tür. »Sie ist extra wegen deines Geburtstags hier.«
    Also riss ich die Tür auf – und traute einen Moment lang meinen Augen kaum. Da stand jemand auf der Veranda – aber das war ganz und gar nicht die Person, die ich erwartet hatte.
    Auf den Stufen vor mir war ein hübscher, fröhlicher, braun schimmernder Engel gelandet. Und ich rede hier nicht von Selbstbräunungscreme, die ich im Übrigen auch nicht wirklich brauchte, aber hin und wieder eben doch benutzte, um diesen gewissen Extra-Glanz hinzubekommen. Sie schien überhaupt kein Make-up zu tragen, abgesehen von dem dicken Kajal, der im Kleopatra Stil mit einem leichten Aufwärtsschwung etwas außer halb des Auges sein Ende fand.
    »Wie geht's, Cowgirl-Cousine?«, begrüßte sie mich kichernd. Sie hatte einen Mund, der immer zu lächeln schien, als hätte sie gerade die lustigste Sache der Welt gesagt oder gehört. »Herzlichen Glückwunsch, altes Haus!«
    »Hi Kavita«, sagte ich. »Schön, dass du gekommen bist.«
    »Machst du Witze? Ich kann doch zu diesem höchst wichtigen Anlass nicht fehlen! Und ihr, Onkel und Tante, ihr seht so frisch aus wie ein junger Morgen!«
    »Danke, Beta«, sagte mein Vater und lugte über Kavitas Schulter, um den flaschengrün angepinselten VW zu begutachten, der in unserer Auffahrt stand. »Du hast also mittlerweile ein Auto?«
    »Das gehört Sabina«, sagte sie und fügte gleich, als hätte sie unser kollektives Fragezeichen gespürt, hinzu: »Meiner Mitbewohnerin. Sieht süß aus, oder?«
    Sie wandte sich halb um und warf dem Käfer einen verliebten Blick zu.
    »Dimple, willst du deiner Cousine nicht die Tasche abnehmen?«, fragte

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