Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
Vom Netzwerk:
hat doch schon vor Ewigkeiten mit mir Schluss gemacht, Mama.«
    »Wie bitte?!«, rief sie. »Wie kann er es wagen, mit dir Schluss zu machen? Bist du ihm etwa nicht gut genug? Was soll mit dir sein? Du bist eine häusliche, nette, mehrsprachige, gute Schülerin aus einer ausgezeichneten Familie! Vollkommen reines Führungszeugnis, keinerlei psychische Krankheiten! Was will er noch, der kleine Bastard?«
    »Eine größere, dünnere und blondere Freundin, glaube ich.«
    Meine Mutter machte ein abfälliges Geräusch.
    »Ist ohnehin egal, das sind olle Kamellen«, sagte ich. »Und überhaupt: Gwyn hat zwar ihren Freund und dessen besten Freund mitgebracht, aber ich garantiere euch, dass ich nicht meinen Freund mitgebracht habe – denn ich habe gar keinen Freund. Und nach dem Kino sind wir wirklich zu Gwyn gefahren.«
    »Schwörst du's?«
    »Ja.«
    »Weißt du noch, was Harish Chandra zum Thema Schwören und Worthalten sagt?«
    »Ja, ich weiß es noch.«
    Ich konnte mich zwar nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, aber die Quintessenz war auf jeden Fall nichts anderes als: Halte dein Wort.
    »Und du schwörst es immer noch?«
    Ich schwor, mit den Fingern in der Luft und allem Drum und Dran.
    Für einen Moment herrschte Stille, während meine Eltern das alles verdauten.
    »Braves Mädchen«, sagte mein Vater schließlich voller Stolz. »Gott sei Dank, dass wir so eine ehrliche Tochter haben, die sich sogar auf Harish Chandra bezieht.«
    Meine Mutter gab meinem Vater mit einem kleinen Augenzwinkern zu verstehen, dass sie noch nicht ganz mit mir fertig waren.
    »Warum bist du denn nach Hause gekommen?«, fragte sie.
    Weil ich so hacke war, dass ich gar nicht mehr wusste, was ich tat.
    »Weil ich an meinem Geburtstag zu Hause aufwachen wollte«, sagte ich.
    Das schien die richtige Antwort zu sein. Meine Mutter seufzte, und ich spürte, wie sie allmählich milder wurde. Sie sah mir nun direkt in die Augen – das erste Mal an diesem Morgen. Aber anstatt erleichtert zu sein, fühlte ich mich noch schlechter. Ihre Augen blickten so traurig und vollkommen verständnislos drein, als sie sagte: »Beta, warum hast du das nur getan?«
    »Wir hätten nicht gedacht, dass du es nötig hättest, all den anderen nachzueifern«, sagte mein Vater leise.
    Ich wusste nicht, wie ich es ihnen verklickern sollte: Natürlich musste ich den anderen nacheifern. Aber wie würde ich bloß jemals so werden wie sie? Das war ja mehr oder weniger das Problem. Ich war nun einmal anders auf die Welt gekommen – es begann mit meiner Hautfarbe und setzte sich so ziemlich in allen Belangen fort.
    »Es tut mir Leid«, war alles, was ich herausbrachte.
    »Man kann all dem wohl nicht entkommen, und ich weiß, dass es nicht nur deine Schuld ist«, sagte meine Mutter. »Es ist dieses Land – es ist schwer, Amerika zu widerstehen. Aber wenn ich gewusst hätte, dass der Preis, um in diesem Land zu leben, meine einzige Tochter ist, dann hätte ich Indien wohl nie verlassen. Ich frage mich, ob Meeratai richtig entschieden hat, mit Kavita und Sangita dort zu bleiben. Seit ich Radha getroffen habe, kommen plötzlich all diese Erinnerungen wieder hoch. Das hat mich wirklich ins Grübeln gebracht. Ich hab dir doch erzählt, dass ich meiner alten Schulfreundin Radha Kaapor begegnet bin, oder?«
    »Ja, bei Friendly's, ich war dabei.«
    »Sie hat einen Sohn.«
    »Ich weiß, ich weiß: Informatikstudent, New York University und so.«
    »Du hast also zugehört! Gutes Mädchen«, sagte meine Mutter. »Nun, jedenfalls habe ich sie zum Chai einge laden.«
    »Wie bitte?«
    »Während du dich heute den ganzen Morgen … erholt hast, haben dein Vater und ich ein bisschen überlegt. Und offen gesagt gibt es keine Zeit zu verschwenden.«
    »Es handelt sich hier um einen höchst wichtigen Notfall«, nickte mein Vater.
    »Du brauchst einen indischen Freund«, fasste meine Mutter ihre Ansicht nun kurz und bündig zusammen. »Jemanden, der einen guten Einfluss auf dich hat und dich auf dem rechten Weg hält. Der dich zu schätzen weiß. Der sich nicht für etwas Besseres hält, so wie all diese anderen Typen.«
    Ich wollte aber gar keinen indischen Freund, der mich zu schätzen wusste. Ich wollte jemanden Cooles, jemanden, der Gitarre spielte oder Filme drehte oder lange Haare hatte – oder am besten alles zusammen. Jemanden, den alle Mädchen anhimmelten und der sich umdrehte und mir durch eine dunkle Sonnenbrille einen lässigen Blick zuwarf, während alle anderen zusahen. Mit

Weitere Kostenlose Bücher