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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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Eltern redeten schon wieder in der dritten Person über mich, obwohl ich direkt vor ihnen saß. Das bedeutete nichts Gutes!
    »Du meinst die Anonymen Alkoholiker«, sagte ich.
    »Oh, du kennst diese Vereinigung also schon?«, fragte mein Vater.
    »Was habe ich in diesem Leben nur falsch gemacht?« Meine Mutter hielt den Kopf in den Händen und wiegte ihn wie ein Baby.
    »Meine einzige Tochter ist eine unverheiratete, fotografierende Alkoholikerin, die sich wie Jennifer Lopez anzieht und jeglichen Bezug zu ihrer indischen Herkunft verloren hat! Das ist alles meine Schuld. Prabhu, was hab ich bloß getan?«
    »Sehr lustig, Mama«, sagte ich mit einem gezwungenen Lächeln und hoffte inständig, dass wir drei uns jede Sekunde auf die Schenkel klopfen und über die ganze Angelegenheit laut lachen würden. Aber auf den Lippen meiner Mutter zeigte sich nicht die Spur eines Lächelns. Sie blickte mich bloß an wie ein eingeschnapptes Kind.
    »Papa«, versuchte ich es – aber das brachte auch nichts. Mein Vater wich meinem Blick aus und schien eine plötzliche Faszination für den Fußboden zu entwickeln.
    »Siehst du?«, sagte er zu den Fliesen. »Bist du jetzt zufrieden? Warum fügst du deiner Mutter nur solches Leid zu? Macht es dir etwa Spaß, sie weinen zu sehen?«
    »Natürlich nicht. Und, Papa, mal ehrlich: Sie weint doch gar nicht.«
    »Innen drin«, sagte mein Vater voller Mitgefühl. »Innen drin weint sie.«
    »Also hört mal, meint ihr nicht, dass ihr ein bisschen übertreibt?«, seufzte ich. »Ich hatte nur … ein Glas. Ein Glas macht mich noch lange nicht zur Alkoholikerin.«
    »Hängt davon ab, wie häufig man es nachfüllt«, sagte mein Vater.
    »Das muss ein ziemlich großes Glas gewesen sein«, schaltete sich meine Mutter wieder ein und richtete sich auf. »Du hast gestern Nacht nach einer ganzen Brauerei gerochen.«
    Sie hielt sich demonstrativ die Nase zu.
    »Allein vom Einatmen der Luft in deiner Nähe hätte man betrunken werden können«, ergänzte mein Vater.
    »Du hättest dich selbst in eine Flasche füllen und dich drüben bei Ciccone Liquors ins Regal stellen können.«
    Jetzt waren sie richtig in Fahrt.
    »Mama, Papa – bitte«, sagte ich nun ebenfalls zum Fußboden. »Es tut mir ganz, ganz doll Leid.«
    Das stimmte auch. Und zwar nicht nur, was den Alkohol anging. Mir tat nämlich außerdem Leid, dass ich eine Tochter war, die ihre Mutter dazu brachte, sich siebzehn Jahre nach der Geburt zu wünschen, sie hätte abgetrieben, und ihren Vater, dessen minutiös geplanten Gebetsablauf sie soeben zerstört hatte, dazu brachte, mit den Küchenfliesen zu reden.
    »Ich wusste einfach nicht, wie stark die Wirkung ist«, fügte ich nun in Richtung meiner Eltern hinzu. Und auch das stimmte. »Mir wurde einfach irgendwie so … so schummrig.«
    »Hat man dir etwa eine von diesen Pillen ins Getränk getan?«, flüsterte meine Mutter und rückte ihren Stuhl näher an meinen heran. »Ich hoffe, du hast dein Glas wenigstens nicht aus den Augen gelassen. Ich habe mal darüber gelesen, dass bestimmte Leute so besondere Pillen benutzen, um sich die Mädchen gefügig zu machen. Das soll Mädchen in einen verliebten Zustand versetzen.«
    »In einen benebelten Zustand«, sagte mein Vater. Ich glaube, er wollte sie nur verbessern, doch nun ging meine Mutter auf ihn los.
    »Ich hab's dir immer wieder gesagt. Glaubst du mir jetzt endlich? Muss es erst deiner eigenen Tochter widerfahren, bis du einmal auf mich hörst? Oh Beta …«
    Plötzlich war mein Vater der Buhmann, und meine Mutter schlang ihre Arme fest um mich und drohte mich halb zu ersticken. Sie roch nach Chanel No. 5, mildem Spülmittel und Gewürzen, und ich liebte sie so sehr und war aufrichtig traurig, dass ich ihr solche Sorgen bereitet hatte.
    »Nein, ich hab mein Glas nie unbeaufsichtigt gelassen«, sagte ich zu ihr mit fester und – wie ich hoffte - möglichst überzeugender Stimme.
    »Und wo wart ihr? Wer waren denn nun diese Hooligans, die dich zu alldem verführt haben?«, fragte mein Vater. »Woher wissen wir denn, dass du überhaupt mit Gwyn unterwegs warst?«
    »Ich war mit Gwyn unterwegs, ich schwöre.«
    Schwüre waren bei uns zu Hause eine ganz besondere Sache.
    »Nur mit Gwyn?«, hakte meine Mutter nach und sah mich mit schmalen Augen an.
    »Nein … da waren auch noch Freunde dabei.«
    »Jungs oder Mädchen?«
    »Jungs.«
    »Ihr wart mit Jungs unterwegs? War es dieser Bobby Schmobby Sowieso? Wie kannst du nur mit ihm ausgehen?«
    »Der

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