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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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unkonkreter?«
    »Ach, du weißt schon, Gandhi und Nehru und die Götter und so.«
    Nun ließ mein Vater tatsächlich von den News ab und sah mich an, was im Prinzip einem achten Weltwunder gleichkam.
    »Hast du etwa gerade Gandhi und Nehru und die Götter und so gesagt?«
    Ich nickte. Ja, genau das waren meine Worte gewesen.
    »Machst du Witze?«, rief er, legte die Fernbedienung aus der Hand und fasste mich bei den Schultern. »Natürlich haben wir solche Bücher«, grinste er und wandte sich zu meiner Mutter. »Schatz, hast du das gehört?«
    »Ja, ich hab's gehört«, sagte meine Mutter, die gerade dabei war, die Blumen zu gießen. »Gwyn und Karsh haben einen äußerst positiven Einfluss auf unsere Tochter.«
    »Ich frag nur, weil diese Veranstaltung an der New York University ansteht und ich mich ein bisschen vorbereiten möchte«, sagte ich. »Das ist alles.«
    Mein Vater sah aus, als würde er am liebsten eine Flasche Champagner öffnen. Voller Begeisterung warf er die Arme in die Luft.
    »Prabhu, ich könnte vor Freude eine Kokosnuss knacken!«, rief er. »Dann komm mal mit.«
    ★ ★ ★
    Das Arbeitszimmer war voll gestopft mit Büchern: Bücher über die indische Mythologie, indische Architektur, indische Heilkunst, indische Elefanten, indischen Tanz (die mit ziemlicher Sicherheit von meiner Mutter stammten) und, und, und. Sogar Biografien über Gandhi und Nehru waren dabei. Wieso waren mir diese Schätze all die Jahre nicht aufgefallen?
    Also ran an die Arbeit. Ohne Umschweife machte ich es mir mit einem Buch über die indische Mythologie auf dem Sitzkissen in der Ecke gemütlich. Mein Vater lächelte und schlich betont leise aus dem Zimmer.
    »Wenn du Fragen hast – du weißt, an wen du dich wenden kannst«, flüsterte er mir noch zu und schloss behutsam die Tür.
    Keine Ahnung, an wen konkret er dabei dachte, jedenfalls nicht an sich, so viel war klar. Am nächsten Morgen saßen meine Eltern bereits am Frühstückstisch, als ich in die Küche kam.
    »Wie hieß Krishnas Frau«, fragte ich in die Runde und machte mich über meine Cornflakes her.
    »Jashoda«, sagte mein Vater.
    »Nein, nein. Radha«, sagte meine Mutter.
    »Bist du sicher, Schatz?«, sagte mein Vater.
    »Ziemlich sicher. Steht das denn nicht in dem Buch?«
    »Ich hab's jedenfalls nicht gefunden«, sagte ich. »Das scheint eher für Leute geschrieben zu sein, die sich schon ein bisschen besser auskennen.«
    »Ich rufe besser Tante Hush-Hush an, die kennt sich damit aus«, sagte meine Mutter.
    »Und ich gucke schnell im Internet nach«, sagte mein Vater verlegen.
    »Wisst ihr das wirklich nicht?«, fragte ich völlig verdutzt.
    »Es ist ja nicht so, dass wir es nicht wissen«, versuchte sich mein Vater herauszureden.
    »Es ist schon ziemlich lange her, seit wir uns damit beschäftigt haben«, erklärte meine Mutter.
    »Wir wollen uns nur schnell rückversichern, dass … dass die das nicht, äh, geändert haben oder so«, fügte mein Vater hinzu.
    »Wie jetzt?«, grinste ich. »Wird der Hinduismus jedes Jahr auf den neusten Stand gebracht?«
    »Dimple, das reicht jetzt aber!«, ermahnte mich meine Mutter. »Das ist nur eine Ausnahme, dass wir uns ausge rechnet hierbei nicht ganz sicher sind.«
    Mein Vater hatte sich bereits aus der Küche geschlichen, um sich so schnell wie möglich vor den PC zu hängen.
    ★ ★ ★
    Je mehr Tage vergingen, desto häufiger war meine Mutter mit Tante Hush-Hush und ihrer Freundin Radha in Kontakt – manchmal drückte sie gleich auf die Wiederholungstaste, um eine von den beiden sofort wieder an die Strippe zu kriegen, wenn ich ein paar Minuten später erneut eine dringende Frage hatte. Mein Vater war unterdessen zum absoluten Herrn des Internets geworden, die Liste seiner Website-Favoriten zum Thema Indien war mittlerweile endlos.
    Mir tat vom vielen Lesen schon der Nacken weh und meine Augen mussten sich nach meinen unermüdlichen Lese-Sessions erst wieder langsam ans Weitsehen gewöhnen. Aber größtenteils war die Lektüre nun mal super spannend. Was ich unter anderem lernte, war, dass Geschichte gar nicht so einfach war. Denn es handelte sich hierbei nicht bloß um eine gesicherte Chronik über tote Menschen. Im Gegenteil: Geschichte schien mir eher wie eine Drehtür zu sein, durch die unentwegt Geister hindurchschweben, die alle ihre eigene Story erzählen wollen.
    Dann passierte etwas Merkwürdiges: Je mehr ich las, desto mehr vergaß ich, warum ich überhaupt damit angefangen hatte.
    Und unsere

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