Karma Girl
dich dann? Er ist glücklich.«
» Ich wollte ihn glücklich machen.«
Sowie ich das ausgesprochen hatte, war es mir peinlich. Gwyn wandte sich blitzschnell zu mir um und sah auf einmal ganz anders aus.
»Dir geht's gar nicht um die Party, Dimple«, sagte sie kühl. »Dir geht's gar nicht ums Ideenklauen. Nur zu - sag's ruhig.«
»Was soll ich sagen?«
»Jetzt sag doch endlich, was du wirklich meinst, verdammt noch mal.«
»Was willst du denn hören?«, murmelte ich.
»Dass es darum geht, dass ich dir deiner Meinung nach Karsh geklaut habe! Gib's doch zu! Deswegen bist du so sauer! Nur deshalb führst du dich so auf!«
»Ich bin nicht sauer!«, schrie ich fast.
»Du willst immer das haben, was ich will«, fuhr sie fort. Auf ihrer Stirn wurde auf einmal eine blaue Vene sichtbar, die ich noch nie bei ihr gesehen hatte. »Schon seit wir klein waren: dieselben Puppen, Donuts zum Frühstück und, und, und. Daran hat sich einfach nichts geändert. Bis heute nicht.«
»Ich könnte dasselbe von dir behaupten.«
»Ach, hör doch auf, Dimple. Ich versteh einfach nicht, warum du dich nicht für mich freuen kannst.«
Weil ihre Freude zum ersten Mal meiner Freude in die Quere kam. Weil sie immer ihren Willen kriegen musste und mir damit diesmal in die Parade fuhr.
»Musst du eigentlich immer jeden haben?«, fragte ich sie, anstatt ihr all das zu sagen. »Du könntest wirklich jeden Jungen auf der Welt haben. Und musstest dir ausgerechnet diesen aussuchen.«
»Ich will nicht jeden Jungen auf der Welt – ich will die sen Jungen. Schließlich bin ich in diesen Jungen verliebt. Und ich hatte die Idee zuerst. Ich hab's als Erste gesagt und mich dir anvertraut. Gib's zu, Dimple: Du hast das Recht verwirkt, als du mir gesagt hast, dass du ihn nicht magst.«
Ich biss mir auf die Zunge. Das stimmte zwar alles – aber war es etwa meine Schuld, wenn ich ein bisschen länger als sie brauchte, um mir über meine Gefühle klar zu werden? Herauszufinden, wer ich war, wen ich mochte und was ich wollte? Schließlich war ich keine Expertin. Und davon mal ganz abgesehen: Wie sollte ich denn jetzt bitte schön mal eben so meine Gefühle ausschalten?
»Ich mochte ihn zuerst«, fasste sie zusammen.
»Und ich war zuerst Inderin, und das hat dich auch nicht daran gehindert, dir das ebenfalls anzueignen«, sagte ich. »Es geht nämlich nicht nur darum, dass du mir Karsh wegnimmst, Gwyn. Es ist viel mehr als das. Es geht darum, wie du dir fremde Identitäten aneignest – du klaust nämlich meine Identität!«
»Wie jetzt? Hast du etwa das Copyright aufs Indischsein? Das würde ja bedeuten, dass ich das Copyright auf Madonna und deine E-Mail-Adresse hätte. Sobald du also darauf verzichtest, geb ich dir deine Rakhis und Rezepte wieder zurück. Sag mal, hast du bei der Uni-Konferenz überhaupt zugehört? Kapierst du eigentlich rein gar nichts?«
Waren wir tatsächlich auf der gleichen Konferenz gewesen? (Und wusste sie etwa nicht, dass Hotmail von einem Südasiaten erfunden worden war?)
»Hast du überhaupt zugehört?«, rief ich. »Hast du eigentlich 'ne Ahnung, wie schwierig das Leben manchmal für mich ist?«
»Wir sitzen im selben Boot, Dimple.«
»So 'n Quatsch! Gwyn, die meiste Zeit weiß ich nicht einmal, ob ich nun Inderin oder Amerikanerin bin! Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, an wem ich mich orientieren soll oder wohin ich gehöre. Ich weiß einfach nicht, wie ich diese beiden Pole miteinander verbinden und mich selbst finden soll. Jetzt habe ich endlich mal geglaubt, ich würde so langsam dahinterkommen und hätte jemanden gefunden, der mir dabei helfen würde, einen Ausweg aus diesem … diesem kulturellen Konflikt zu finden.«
»Welcher kulturelle Konflikt?«, blaffte Gwyn und machte eine ausholende Geste. Einen Moment sah es so aus, als wollte sie mich schütteln, doch dann verharrte sie einfach in dieser Haltung. »Nicht zu wissen, wie man sich verhalten soll, an wem man sich orientieren soll, wohin man gehört? Dimple, so ist das, wenn man ein Teenager ist! So ist das, wenn man ein Mensch ist, der langsam erwachsen wird. Was du übrigens mal ausprobieren solltest – würde dir vielleicht ganz gut tun. Was du da beschrieben hast, das ist doch nicht dein ganz persönliches Dilemma. Im Übrigen wusstest du nicht einmal, dass du einen – wie du es nennst – ›kulturellen Konflikt‹ austrägst, bis du darüber gelesen und in der Konferenz davon gehört hast.«
Sie machte einen Schritt zurück, ließ
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