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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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hatte an meinem Geburtstag angefangen. Ich nahm mein Portmonee und zog es heraus, dieses hochbrisante Stück Plastik. Hier war also die Identität, die sie mir gegeben hatte. Ich starrte das Mädchen in meiner Hand an, das Mädchen, das sich in einem Lügennetz versponnen hatte und nicht mehr wusste, wer und was und wann und wie sie war. Wie hatte ich mir je einbilden können, jemals so zu werden wie Gwyn?
    Ich drehte meine Hand und ließ los. Die Plastikkarte machte ein paar Saltos, bevor sie im Wasser landete. Dann wurde sie von den Wellen durch den mittleren Brückenbogen geschwemmt – und verschwand.

32. KAPITEL
Muffin-Frühstück
    Wir hatten früher eine alte Smith-Corona-Schreibmaschine, ein Relikt aus der Zeit vor meiner Geburt. Mein Vater hatte sie angeschafft, als meine Eltern nach Amerika ausgewandert waren. Er hatte sie benutzt, wenn seine Briefe möglichst offiziell aussehen sollten, also bei Beschwerden an die Telefongesellschaft, bei Rechnungen oder Dankschreiben. Ich liebte das Pling! , das immer ertönte, wenn man am Ende einer Zeile angekommen war, und bei dem meine Mutter jedes Mal schnell die Mikrowelle prüfte oder sich die Hände an der Schürze abtrocknete und zur Tür lief, um nach unangemeldetem Besuch Ausschau zu halten. Als ich schließlich lesen und schreiben konnte, setzte mich mein Vater auf einen Stapel Telefonbücher, sodass ich die Tasten mit meinen Fingern erreichen konnte. Mithilfe eines Schalters konnte man von schwarzer zu roter Schrift wechseln, und wir zwei nahmen immer rot und verzierten das Blatt mit lauter Symbolen: mit roten Sternchen, Dollar-Zeichen, Prozent-Zeichen, Copyright-Zeichen und, und, und.
    Die Smith Corona spielte eine große Rolle in dem Ritual, wie mein Vater und ich unsere gemeinsamen, süßen Muffin-Frühstücke organisierten. Ich lief für gewöhnlich nichts ahnend durchs Esszimmer und da stand sie dann. Jemand hatte sie aus ihrem schwarzen Koffer genommen und direkt vor dem Stuhl am Kopfende auf den Tisch gestellt. Ein Blatt Papier war sauber eingespannt. Ich erklomm schnell den Stuhl, kniete mich auf die Bücher und spürte mein Herz klopfen. Auf dem Blatt stand meist etwas wie:
    #$%Meine liebe Miss Bacchoodi,%&#
    mir ist aufgefallen, dass wir schon ziemlich lange kein gemeinsames Muffin-Frühstück mehr ein genommen haben. Was meinst du? Ich habe eine Idee: Wenn es dein Terminkalender erlaubt und du am Sonntag um 8 Uhr Zeit hättest, könnten wir zwei uns für ein Frühstück rüsten (vielleicht gibt's zum Nachtisch sogar Vanilleeis mit extra viel Karamellsoße). Bitte lass mich wissen, ob du Zeit hast. (Anstatt Vanilleeis ginge auch Schokoladeneis.)
    Ich habe dich über alles lieb.
    **%§%Dein Bapuji%&%**
    Mein Vater schrieb wie ein direkter Nachkomme von Winnie Pooh. Und ich tippte im Ein-Finger-Suchsystem meine rosenrote Antwort an ihn: Lass mich mal im Terminkalender nachsehen: Ja, das würde passen! Und Schokoladenstreusel hätte ich auch gern! In den Nächten vor diesen Frühstücksverabredungen konnte ich fast nicht einschlafen und träumte immer vom niedlichen Lächeln unserer Lieblingskellnerin Ilene und ihrer immer wie durch ein Wunder blütenreinen Schürze.
    »Ach, wie ich doch unsere gemeinsamen Muffin-Frühstücke genossen habe«, sagte mein Vater eines Tages zu mir, als wir gerade auf einem Parkplatz ins Auto gestiegen waren. Er schüttelte dabei den Kopf und lächelte traurig.
    »Hast du?«, sagte ich und merkte sofort, wie blöd das klang: Natürlich hatte er das. Genauso wie ich. Und sogar meine Mutter, die uns immer mit offenen Armen und gespielter Überraschung begrüßte, wenn wir verschmitzt lächelnd und mit verschmierten Mündern nach Hause kamen, hatte es mit ziemlicher Sicherheit ebenso genossen. Ich hatte das einfach vergessen, das war alles. Vergessen, wie fantastisch es sein konnte, wenn ich mit meinem Vater zusammen war, und wie zum Glücklichsein schlicht und einfach seine Gegenwart und der Ausblick auf ein Vanilleeis mit Karamellsoße ausreichte – die Gegenwart meines Vaters, des ersten Mannes, den ich heiraten wollte.
    »Und dann warst du irgendwann so beschäftigt – mit der Schule, deinen Freunden, dem Leben ganz generell«, fuhr er fort, und es klang ein bisschen so, wie ich manchmal über Gwyn nachdachte. »Jetzt bist du schon richtig erwachsen. Ich weiß, dazwischen lagen Jahre, aber für mich ist es nur ein Wimpernschlag. Manchmal hast du einen bestimmten Gesichtsausdruck, den ich schon bei dir gesehen habe, als

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