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Karneval der Alligatoren

Karneval der Alligatoren

Titel: Karneval der Alligatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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noch auf
das tiefe, unterirdische Dröhnen in seinen Ohren; er senkte die Lider und sah
nur noch die flimmernde Wasserfläche vor sich.
    Bodkin hielt die Hände über dem Bauch
gefaltet – offenbar träumte auch er vor sich hin. Wie oft mochte er das bei
ihren letzten Unterhaltungen schon getan haben?
    Kerans begleitete Riggs zur Tür.
»Alles wird rechtzeitig fertig sein. Vielen Dank für die Benachrichtigung.«
    Als der Kutter abgelegt hatte, kehrte
er in seinen Sessel zurück. Kurze Zeit starrten die zwei Männer einander über
den Tisch hinweg an. Draußen stießen die Insekten gegen das Drahtnetz, die
Sonne stieg immer höher. Endlich begann Kerans zu sprechen.
    »Ich weiß nicht, ob ich mitfahre,
Alan.«
    Bodkin zog seine Zigaretten heraus,
zündete eine sorgfältig an und rauchte sie gemütlich. »Wissen Sie überhaupt, wo
wir sind? Ich meine, über welcher Stadt?« Kerans schüttelte den Kopf. »Ein Teil
davon hieß einmal London. Nicht weiter wichtig. Komischerweise wurde ich hier
geboren. Gestern bin ich über das alte Universitätsgelände gerudert, habe sogar
das Labor gesehen, an dem mein Vater lehrte. Ich war sechs, als wir hier
weggingen, aber ich erinnere mich noch genau, wie man mich einmal zu ihm
mitnahm. Gleich daneben war das Planetarium, ich sah einmal eine Vorführung
dort. Die große Kuppel ist immer noch da, ungefähr sechs Meter unter dem
Wasser. Sieht aus wie eine große Muschel, ganz mit Schwämmen überwachsen, wie
aus dem Märchen. Komisch, als ich auf diese Kuppel hinuntersah, kam mir meine
Kindheit viel näher. Ich hatte eigentlich alles davon vergessen. Nachdem wir
hier wegzogen, wurden wir die reinsten Nomaden. Diese Stadt ist eigentlich das
einzige Zuhause, das ich je gekannt habe ...« Er brach abrupt ab, sein Gesicht
war plötzlich ganz müde.
    »Sprechen Sie doch weiter«, sagte
Kerans ruhig.

6
     
     
    Zwei Männer gingen rasch über das
Deck, ihre weichen Sohlen waren auf den Metallplanken nicht zu hören. Heller
Mitternachtshimmel über der dunklen Lagune, ein paar Kumuluswolken; leise
nächtliche Geräusche drangen vom Dschungel über das Wasser herüber. Ab und zu
kicherte ein Äffchen, Leguane kreischten in ihren dunklen Schlupfwinkeln.
Myriaden von Insekten tummelten sich über der Wasserfläche, schreckten bei
heranrollenden Brechern kurz auf und sammelten sich dann wieder zu endlosem
Spiel.
    Kerans warf ein Tau nach dem anderen
ab – die Brecher halfen ihm, die Schlaufen leichter von den verrosteten
Halterungen abzunehmen. Als die Teststation sich endlich löste, starrte er
ängstlich zum Hauptquartier hinüber. Jetzt kamen die Propeller des
Hubschraubers in Sicht, dann die kleine Heckschraube. Er zögerte, ehe er die letzte
Vertäuung löste; Bodkin stand auf Ausguck und sollte ihm das Zeichen geben.
    Die Spannung hatte sich beim Lösen
dieser Leine verstärkt, und er brauchte Minuten, ehe er die Schlaufe über den
runden Haken hinaufgeschoben hatte. Ohne die Brecher, die gelegentlich die
Station zum Schwanken brachten, hätte er es kaum geschafft. Bodkin flüsterte
aufgeregt – endlich gelang es ihm, die schwere Trosse sank unter Wasser und
schnellte zurück zum Hauptquartier.
    Von ihrer Last befreit, kippte die
riesige Tonne gute fünf Grad zur Seite, gewann aber sofort wieder das
Gleichgewicht. In einer Kabine ging Licht an, wurde aber bald wieder
abgeschaltet. Kerans nahm den Bootshaken zu Hilfe und stakte die Station
weiter. Eine leise Strömung brachte sie langsam zu ihrem vorigen Ankerplatz.
    Am Ufer mußte er aufpassen, daß sie
nicht auf Gebäude aufliefen oder in den Farnen hängenblieben, immer wieder
wehrte er mit dem Bootshaken ab. Der Wasserlauf ging um eine Ecke, die Strömung
wurde langsamer, schließlich blieben sie in einer kleinen Bucht stehen.
    Kerans sah über das Geländer. Ein
flaches Kinodach lag unter ihnen, zum Glück ganz ohne Aufbauten und Vorsprünge.
Er winkte zu Bodkin hinauf und stieg dann durch das Labor, an Versuchsgeräten
und Becken vorbei zum Flutventil.
    Kaum hatte er das Handrad bewegt,
rauschte schon kaltes Wasser schäumend um seine Füße. Er lief durchs Labor,
ließ das Äffchen frei und schob es durch ein Fenster nach draußen. Die Station
sackte ab wie ein Lift, den Weg zum Oberdeck mußte er sich bereits durch hüfttiefes
Wasser bahnen. Oben erwartete ihn Bodkin, der ganz begeistert zusah, wie die
Fenster der Häuser neben ihnen hochstiegen.
    Endlich war die Fahrt zu Ende. Sie
hörten noch eingesperrte Luft aus den

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