Karneval der Alligatoren
Retorten und Gläsern gluckern und sahen
aus einem Fenster unter der Wasserfläche schaumigen Farbstoff hervorquellen.
Die dunkelblauen Blasen verblaßten
und lösten sich auf; Kerans dachte an die vielen Zettel an der Wand, die jetzt
vollends sinnlos geworden waren; welche Gefahren mochten Bodkin und ihn jetzt
erwarten? Wie ihre Aufzeichnungen aus Jahren angestrengter Arbeit tauchten auch
sie in unbekannte Wasser ein, und außer ein paar Faustregeln trugen sie nur
wenig Marschgepäck bei sich.
In seiner Kabine nahm Kerans einen
betippten Bogen Papier aus der Schreibmaschine und heftete ihn fest an die
Küchentür. Bodkin setzte seine Unterschrift unter die Botschaft, dann gingen
die beiden Männer wieder an Deck und senkten den Katamaran ins Wasser. Sie
paddelten das Boot weg – den Außenbordmotor hatten sie hochgezogen; langsam
glitten sie über das dunkle Wasser in die tiefblauen Schatten am Lagunenrand.
Mit betäubendem Lärm kreiste der
Hubschrauber über der Dachwohnung, tauchte nieder, zog wieder hoch, tauchte
nochmals; der Pilot suchte nach einer günstigen Landestelle. Der Propellerwind
pfiff über das Schwimmbecken, riß an der gestreiften Markise. Kerans mußte
innerlich grinsen, als er durch die Jalousien der Diele dem Manöver zusah. Er
war sicher, daß der Haufen alter Fässer, die er gemeinsam mit Bodkin zu einer
Pyramide getürmt hatte, den Piloten abschrecken würden. Einige Fässer rollten
ab und platschten in das Becken, der Hubschrauber flog hoch, kam dann ganz
langsam nochmals herunter und schwebte jetzt auf einer Stelle.
Daley drehte bei, so daß der Einstieg
genau gegenüber den Dielenfenstern lag, Riggs' Kopf erschien, diesmal ohne
Kappe; zwei Soldaten hielten ihn, während er in das elektrische Megaphon
brüllte.
Beatrice rannte von ihrem Ausguck zu
Kerans hinüber.
»Robert, er versucht mit uns zu
reden!«
Kerans nickte – bei dem Maschinenlärm
konnte man kein Wort Riggs' verstehen. Endlich hatte er seine Ansprache beendet,
der Hubschrauber kippte hoch und zog dann in weitem Bogen über die Lagune.
Kerans legte Beatrice den Arm um die
Schulter. »Nicht schwer zu erraten, was er uns gesagt hat.«
Sie gingen in den Hof hinaus und
winkten Bodkin, der aus dem Lifthaus herausgekommen war und die Fässer wieder
zurechtlegte. Unter ihnen, am anderen Ende der Lagune, ragten das Oberdeck und
die Kommandobrücke der Teststation aus dem Wasser, Hunderte Notizzettel
schwammen um das Wrack. Weit draußen, in der letzten der drei großen Lagunen,
schimmerte der gelbe Rumpf des Hauptquartiers.
Nach einem ergebnislosen Versuch, die
Teststation wieder flottzumachen, war Riggs mittags aufgebrochen, genau nach
seinem Plan, und hatte den Kutter zum Wohnblock hinüberfahren lassen, wo er die
zwei Biologen vermutete. Der Lift ging nicht mehr, und seine Leute hatten sich
geweigert, zwanzig Stockwerke zu Fuß zu erklimmen, zumal einige Leguane es sich
bereits auf den unteren Treppenabsätzen bequem gemacht hatten. Daher der letzte
Versuch mit dem Hubschrauber. Als auch das nichts half, flog er zum Ritz
hinüber.
»Gott sei Dank, der ist weg«, sagte
Beatrice aufatmend. »Er ist mir irgendwie auf die Nerven gegangen.«
»Das hast du ihm ziemlich deutlich zu
verstehen gegeben. Mich wundert nur, daß er dich nicht härter angepackt hat.«
»Er war einfach unerträglich. Diese
aufrechte Haltung, dieses Umziehen zum Abendessen, mitten im Dschungel – er
hatte überhaupt keine Anpassungsfähigkeit.«
»Riggs ist schon in Ordnung«, sagte
Kerans ruhig. »Der kommt wahrscheinlich durch.« Jetzt, da Riggs weg war, merkte
er erst, wie sehr ihm seine Heiterkeit und Freundlichkeit geholfen hatten. Ohne
ihn wäre es mit der guten Laune der Einheit in kürzester Zeit zu Ende gewesen.
Mal abwarten, ob es ihm selbst gelingen würde, sein kleines Trio ebenso bei
gutem Mut zu halten? Die Führung fiel wohl ihm zu. Bodkin war zu alt dafür,
Beatrice zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Kerans sah auf das Thermometer, das
er neben der Armbanduhr trug. Es war halb vier vorbei, die Temperatur immer
noch über vierzig Grad. Alle drei gingen wieder in die Diele, um ihre durch den
Hubschrauberlärm unterbrochene Konferenz weiterzuführen.
»Das Dieselöl im Tank reicht noch für
drei Monate, Bea – wenn es heißer wird, für zwei – schließ dein Apartment
lieber bis auf die Diele ab. Hier bist du durch das Lifthaus vor den
Regenschauern geschützt, die Läden und Fensterabdichtungen im Schlafzimmer
werden ihnen
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