Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
Flächen etwas durch und schrieb etwas anderes hinein. Dieses Mosaik gehörte zu den schwierigen. Es gab viele Flächen – viele verschiedene Steine waren nötig. Ein paar ließen sich sicher noch zusammenlegen, aber es würde in jedem Fall ein Meisterwerk werden. Il Sassos Meisterwerk, ihr Meisterwerk. Ihr Vater musste sich die Steine inzwischen dicht vor die Augen halten, um sie noch zu erkennen.
Sein Eintreten unterbrach sie bei der Betrachtung der Skizzen. Il Sasso war ein großer, kräftiger Mann, dem man seine Arbeit mit Stein ansah. Sein Haar sah stets aus, als wäre es mit einer Schicht Staub bedeckt, und in einer seiner Hände fand mühelos ein Küken Platz.
»Bist du fertig?«
»Ja, Papà.« Sie nickte.
»Hast du alles von der Vorlage übertragen? Pack zusammen, Ludovico Bragadin erwartet uns.«
»Papà, da ist … du musst …«
Il Sasso betrachtete ihre Skizzen mit zusammengekniffenen Augen. »Wenn du mein Lehrling sein willst, erwarte ich, dass du meine Anordnungen befolgst.«
Warum war er so streng? Wollte er ihr auf diese Weise zeigen, was sie sich eingehandelt hatte, als sie ihn überredete, sie als Lehrling Giulio anzunehmen? Sie hatte schon in Verona Skizzen für ihn gezeichnet, und wenn sie auswärts gearbeitet hatten, wo niemand von Il Sassos Tochter wusste, hatte sie ihm schon mehrmals als Giulio verkleidet geholfen. Zu einer Besprechung mit einem Auftraggeber hatte er sie jedoch noch nie mitgenommen. War er nervös und deshalb streng?
»Papà, da ist eine Sache mit den Skizzen. Sie sind …«
»Sind sie noch nicht fertig?«
»Das ist es nicht.« Giuliana seufzte. Wenn ihr Vater nicht zuhören wollte … Sie rollte die Bögen ein und band sie mit einer Schnur zusammen. Die Vorlage schlug sie in eine Decke ein und klemmte sich alles unter den Arm.
So bepackt folgte sie ihrem Vater zum Palazzo Bragadin. Sie ging immer einen Schritt hinter ihm. Wenn er so viel Wert darauf legte, sie wie einen Lehrling und nicht wie seine Tochter zu behandeln, musste sie das hinnehmen. Heute versteckte sich Venedig nicht unter einer Nebeldecke, es gab sogar Lücken in den Wolken über der Stadt, durch die sich dann und wann ein Sonnenstrahl stahl.
Giulianas Gedanken kehrten zu ihrem Schäfer zurück. Dieser Mann und seine Küsse waren eine Sünde wert … Madonna mia.
Der Palazzo Bragadin war einer jener Prachtbauten am Canale Grande, die sie bei ihrer Ankunft bewundert hatte. Sie näherten sich nicht mit einer Gondel, sondern zu Fuß von der Rückseite, und selbst die war prächtig anzuschauen. Sieben Fenster breit war der Palazzo und vier Stockwerke hoch. Das alles für eine einzelne Familie und ihre Dienerschaft. Der herzogliche Palast di Gravini in Rom hatte sie nicht mehr beeindruckt als dieses Gebäude. Auf ihr Klopfen hin öffnete ihnen ein Diener in einem grauen und roten Wams – die Farben der Bragadins – die Tür. Alle Gedanken an ihren nächtlichen Schäfer waren fortgewischt, als Giuliana den schmucklosen Flur sah, er reichte durch die ganze Tiefe des Hauses; auf der anderen Seite war das breite zweiflügelige Portal zu erkennen, das auf den Kanal hinausführte. Wie prächtig würde dieser Flur mit ihrem Mosaik aussehen, gegenwärtig wirkte er düster und eng. Ihr Mosaik würde ihm Weite und Helligkeit verleihen, dann wäre auch der muffige Geruch aus Wandbehängen und dem Haus verschwunden. Giuliana hätte sich nach der frischen Luft draußen am liebsten die Nase zugehalten, aber das war nichts, was ein junger Bursche tat, also ertrug sie ihn. Ihr Vater rümpfte die Nase, als er dem Diener ihre Namen und ihr Begehr nannte.
Der Mann führte sie in einen kleinen Raum gleich neben der Eingangstür, in dessen Mitte ein Tisch und darunter eine Reihe Hocker standen. Der Diener setzte einen Leuchter auf den Tisch, an den Wänden waren weitere befestigt. Er entzündete alle Kerzen und bat sie, auf Signore Bragadin zu warten. Giuliana rückte einen Hocker an die Wand, an eine im Schatten liegende Stelle, und stellte darauf die Vorlage, nachdem sie sie von der Decke befreit hatte; die Skizzen rollte sie auf dem Tisch aus.
Nicht gerade ein komfortabler Raum, um Besucher zu empfangen, und sie fragte sich, wie die Räume ausgestattet waren, in denen Ludovico Bragadin seine Geschäftspartner und Freunde patrizischen Standes einlud. Ob dort Steinfliesen oder polierte und geölte Dielen auf dem Fußboden lagen und die Wände mit Bildern in dieser uralten und kürzlich neu entdeckten Technik – al
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