Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
in ein Dutzend Palazzi gehen und da hängt so was an den Wänden. Wollen die Bragadins sich da einreihen?«
Sein Vater sah aus, als wolle er ihn in eine längere Diskussion über die Frage verwickeln. Das war das Letzte, wonach Amadeo der Sinn stand.
»Ich habe keine Zeit mehr, ich muss gehen.« Er gab seinem Vater keine Möglichkeit zu einer Erwiderung, sondern eilte aus dem Raum.
Seit Il Sasso mit seinem Lehrjungen gegangen war, ließ ihn ein Gedanke nicht mehr los, eigentlich schon, seit er den Jungen erblickt hatte. Die Hände, die Haarfarbe, dieses komische Quieken in der Stimme, seine Bewegungen, das alles erinnerte ihn an seine Schäferin. Als der Bursche sich am Sack gekratzt hatte, hätte er am liebsten laut herausgelacht, so einstudiert wirkte diese Geste.
Kurz bevor er zur Tür hinausstürmte, traf er auf den Haushofmeister der Bragadins. Der kleine schwarzhaarige Mann aus dem Königreich Neapel trat hastig zur Seite, um seinen jungen Herrn durchzulassen.
Amadeo war schon fast zur Tür hinaus, als er sich zu dem Haushofmeister umdrehte. »Hat Alvise Tasso eigentlich eine Tochter? Ich meine Il Sasso . Was weißt du über ihn?«
»Er war eben mit seinem Sohn hier. Von einer Tochter weiß ich nichts. Soll ich mich umhören?«
Wenn es ein Geheimnis gab und der Haushofmeister seines Vaters sich umhörte, blieb es nicht lange geheim, denn der Südländer war in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich; er heuerte Spione an oder auch Schläger. Amadeo schüttelte den Kopf. Das Geheimnis um seine Schäferin wollte er selbst lösen.
»Nicht nötig.« Er verließ den Palazzo ohne Kopfbedeckung und ohne Umhang durch die Hintertür, gelangte auf die Calle del Campaniel und sah Il Sasso und seinen Lehrling gerade noch um eine Ecke verschwinden. Er folgte ihnen bis zur Brücke über den Rio di San Tomà, sie überquerten auch noch den Rio di San Polo, ließen den Palazzo Corner Mocenigo links liegen und gelangten an der Kirche San Polo vorbei auf den Campo. Keiner von beiden sah sich um, und Amadeos Blick saugte sich an dem jungen Giulio fest.
Hatte der Junge eine Schwester, die sich nachts aus dem Haus geschlichen hatte, um den Karneval zu genießen? Wo war der Junge gewesen, warum hatte er nicht auf das Mädchen aufgepasst? Das wäre das Mindeste gewesen. Hätte er eine Schwester …
Giulio ging einen halben Schritt hinter seinem Vater. Schritte. Da war doch was. Amadeo schaute genauer hin. War das der Gang eines Mannes, selbst wenn es sich um einen hinter den Ohren noch nicht trockenen Grünschnabel handelte? Er sah wieder vor sich, wie Giulio sich am Sack gekratzt hatte, und jetzt dieser weibische Gang – der sah genau wie der einer jungen Frau aus.
Die beiden bogen noch einmal ab, und Amadeo legte wieder einen Sprint bis zur Ecke ein. Diesmal waren sie nicht mehr als ein Dutzend Schritte in die Gasse hineingegangen und dann stehen geblieben, sie unterhielten sich. Sie waren aber doch zu weit weg, als dass er sie hätte verstehen können. Amadeo hätte einen Sack voll Golddukaten gegeben, um ihr Gespräch mit anzuhören. Vor allen Dingen wollte er wissen, wie Il Sasso seinen Lehrling anredete, und ob es sich dabei vielleicht um ein Mädchen und um seine süße Schäferin handelte. An dem Mädchen interessierte ihn mehr das sie umgebende Geheimnis als sie selbst.
Er folgte ihnen, als sie weitergingen, jetzt nebeneinander. Langsam wurde es dunkel, und er wagte sich näher heran. Ob und was sie redeten, konnte er immer noch nicht verstehen, aber er sah Giulio mehrmals nicken.
Im Sestiere Cannareggio, das bevölkert war von Werftarbeitern, Handwerkern, Bäckern und Buchdruckern, betraten sie ein schmales, drei Stockwerke hohes Haus, das schon bessere Tage gesehen hatte. Die Tür schloss sich hinter den beiden, und Amadeo verbarg sich auf der gegenüberliegenden Gassenseite in einem Hauseingang. Hinter den Fenstern des Hauses bewegte sich nichts, im ersten Stock stand im Fenster eine brennende Kerze. Giulio oder seine Schäferin zeigten sich nicht, und auch das Haus verließ niemand mehr. Amadeo gab seinen Beobachtungsposten auf und machte sich auf den Heimweg.
Er wusste jetzt, wo Il Sasso mit seiner Familie wohnte, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er ihr Geheimnis gelöst hatte. Das Blut des Jägers kreiste durch seinen Leib.
Er eilte durch die Gassen zurück, und nur der Lichtschein, der durch die Fenster nach außen drang, beleuchtete seinen Heimweg. Mit Laternen in den Händen
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