Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
sehr den Tod wie Amadeo Bragadin; seinen Hass hatte er in den vergangenen Jahren genährt, und jetzt endlich sollte er belohnt werden. Seine geistlichen Studien hatten ihn gelehrt, nach einem Schlag auch die andere Wange hinzuhalten – doch diese Demut fühlte er gegenüber Amadeo Bragadin nicht.
Trotzdem waren Vorsicht und Rückendeckung angebracht. Er musste wissen, was Amadeo zu jeder Stunde des Tages trieb, wer seine Freunde waren, in welchen Häusern er verkehrte, um etwas zu finden, mit dem sich der Mann vernichten ließ. Pietro rief einen Diener und verlangte, dass Fabrizio Paruta aus der Casa Zianello geholt werden solle.
»Fabrizio ist älter geworden«, dachte Pietro, als der Mann einige Zeit später vor ihm stand. Wie immer war er ganz in Schwarz gekleidet, trug ein Schwert und einen Dolch im Gürtel und bestimmt noch weitere Waffen am Körper versteckt. Sein Haar war schütter geworden und von grauen Strähnen durchzogen. Das Leben hatte Falten in sein Gesicht gegraben, aber seine Augen blitzten klar und scharf, und auf die kam es Pietro an.
»Signore, Ihr habt mich rufen lassen …« Fabrizio brach ab. Ihm war anzusehen, dass er nicht wusste, wie er den Sohn seines Herrn in dessen geistlicher Stellung anreden sollte. »Eminenz, ist das richtig?«, setzte er fragend hinzu.
»Noch bin ich nicht Bischof oder Kardinal, Signore reicht vorläufig völlig.« Pietro schenkte sich ein Glas Wein ein und nahm einen Schluck. Er kam nicht auf die Idee, seinem Besucher auch ein Glas anzubieten. Fabrizio war ein Bediensteter des Hauses Zianello und nicht seinesgleichen.
»Was kann ich für Euch tun, Signore?«
»Ich brauche deine Augen und Ohren.«
»Sie stehen zu Eurer Verfügung.«
»Amadeo Bragadin weiß, dass ich in Venedig bin und ist hinter mir her.«
»Soll ich ihn erledigen?« Fabrizio zog sein Schwert halb aus der Scheide. Die Klinge blitzte scharf auf im Kerzenschein.
Pietro hob die Hände. »Ich bin ein Mann der Kirche, vergiss das nicht. Wir müssen andere Wege wählen. Kein Verdacht darf auf mich fallen. Finde eine Schwachstelle, mit der wir ihn vernichten können.«
Sein Besucher grinste. »Ich verstehe, Signore. Gleich morgen werde ich beginnen, den Bragadin-Hund zu beobachten, und Euch jeden Tag bei Sonnenaufgang zur Laudes berichten.«
Pietro nickte. »Nimm dir so viele Männer, wie du brauchst. Geld spielt keine Rolle.«
Fabrizio verneigte sich vor dem Sohn seines Herrn und verschwand so leise, wie er gekommen war. Pietro trank ein weiteres Glas Wein, er war äußerst zufrieden. Fabrizio war der beste Mann für diese Art Arbeit, er wühlte in der Scheiße eines Abtritts, wenn es nötig war, und hörte eine Maus husten. Bald gäbe es nichts mehr, was er über Amadeo Bragadin nicht wusste. Kenne deine Feinde, um sie zu vernichten, das war seine erste römische Lektion gewesen.
Kapitel 4
In ihrer schönsten Handschrift hatte sie die Liste zweimal fein säuberlich geschrieben. Beide Papiere lagen vor ihr auf dem Tisch und sahen exakt gleich aus. Bereits als Schreibschülerin hatte sie ihren Ehrgeiz darauf verwendet, die Buchstaben genau untereinander zu setzen und immer gleich aussehen zu lassen. Das hatte ihr manches Lob ihres Vaters eingebracht.
Dem Schreiben der Listen waren Diskussionen und Berechnungen vorausgegangen. Vater und Tochter hatten zusammen am Tisch gesessen, nach und nach hatten sie immer mehr Smalti aus den Truhen geholt und auf dem Tisch ausgebreitet. Sie hatten sie nah an die Kerzenflammen gehalten, um ihr Feuer zum Schimmern zu bringen, als wären es kostbare Edelsteine. Manche hatten sie verworfen – nicht die richtige Farbe; bei einigen waren sie sich gleich einig gewesen, und viele hatten zu erhitzten Diskussionen geführt, weil der eine etwas wollte, was der andere für groben Unfug hielt. Einmal hatte sogar der Handschuhmacher aus dem Nachbarhaus mit etwas – wahrscheinlich war es ein Schuh gewesen – gegen die Wand getrommelt und sie verflucht. Mehrmals war Ana hereingekommen und hatte ihnen Gewürzwein gebracht, um ihre erhitzten Gemüter zu beruhigen. Giuliana hatte so getan, als hätte sie nicht gesehen, wie die Haushälterin kurz eine Hand auf die Schulter ihres Vaters legte und er sich für einen Moment gegen ihren Arm lehnte.
Wie jedes Mal hatten sie es auch diesmal geschafft, sich zu einigen. Giuliana hatte alle Smalti nebeneinander auf den Tisch aufgereiht. Die Reihe war lang, länger als sie gedacht hatte.
»Wird Bragadin das bezahlen?«,
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