Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
Küche, kaum dass sie die Haustür geschlossen hatte.
»Ich heiße Giulio.«
»Für mich bleibst du immer Giuliana, Lämmchen. Ich habe dich schon im Arm gehalten, als du so klein warst.« Ana war in der Küchentür erschienen und zeigte mit den Händen eine Säuglingsgröße an.
Dagegen ließ sich nichts sagen, Giuliana schwieg.
»Hast du nichts mitgebracht?«
»Ich war im Palazzo Bragadin und habe die Liste abgegeben. Mehr nicht.« Ihre Stimme hatte nicht gezittert, auch nicht bei den beiden letzten Worten. Innerlich atmete sie auf; Anas Blick war scharf, sie konnte einem in die Seele schauen.
»Ich hatte dich gebeten, mir etwas vom Markt mitzubringen. Wo ist es?«
Bei allen Heiligen – kaum hatte Ana die ersten Worte gesagt, fiel es Giuliana siedend heiß wieder ein: Sie sollte vom Palazzo Bragadin aus zum Markt gehen und zwei Kaninchen für das Abendessen mitbringen, außerdem Mehl, zwei kleine, weiche Käse, Trauben und eine Melone. Ana hatte ihr zwei Dukaten gegeben. Sie legte eine Hand auf ihren Gürtel, darin befand sich eine geheime Tasche, in der sie das Geld versteckt hatte.
»Was ist mit dir, Mädchen? Hast du das Geld verloren oder für Tand ausgegeben? Wurde es dir geraubt? Den Venezianern ist ja nicht zu trauen.« Mit den Bewohnern der Serenissima stand Ana immer noch auf dem Kriegsfuß. So schnell gewöhnte sie sich nicht an neue Nachbarn.
»Gar nichts ist passiert, liebste Ana. Ich habe es vergessen. Ich mache mich gleich auf den Weg.
»Wann soll dann das Abendessen fertig sein? Zu der unchristlichen Zeit, die die Venezianer bevorzugen? Es sollte die Kaninchen geben, aber bis die durch sind …«
Im Hause Tasso wurde das Abendessen am frühen Abend zur Zeit der Vesper eingenommen, darauf legten ihr Vater und Ana großen Wert. Spätes Essen zeuge von losen Sitten, befanden beide.
»Du findest etwas anderes, liebste Ana. Niemand kann besser als du aus nichts ein Essen zaubern.«
Giuliana hatte ihren unschuldigsten Blick aufgesetzt, und der wirkte stets bei Ana. »Schmeichlerin. Dann gibt es aus den Resten von gestern eine Suppe.«
»Du bist die Beste, ich wusste es. Ich hole die Kaninchen.« Giuliana umarmte die gute Seele des Hauses Tasso und machte sich auf den Weg.
Wie hatte sie Anas Auftrag nur vergessen können? Weil nur Amadeo und sein verrücktes Spiel in ihren Gedanken gewesen waren. Solch ein Fehler durfte ihr nicht noch einmal passieren.
Nachdem sie alle Einkäufe auf dem Markt erledigt und bei Ana abgeliefert hatte, zog sie sich in ihre Kammer zurück. Amadeo und sein Kuss beherrschten immer noch ihr ganzes Denken und Fühlen. Sie hatte das Gefühl, immer noch seine Lippen auf ihren zu spüren und in einem winzigen Boot auf stürmischer See zu sitzen.
Sie zog ihre Mütze vom Kopf, drehte sie in den Händen. Dass sie Amadeo wiedergefunden hatte, unter all den Menschen in Venedig ausgerechnet diesen einen, ließ ihr Herz schneller hüpfen. Aber dass er sie nun in der Hand hatte … Sein Gesichtsausdruck hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er von ihr unbedingten Gehorsam erwartete, seine Lust zu befriedigen und seine Sklavin zu sein. Sie wusste durchaus über solche Dinge Bescheid, in Verona war man nicht so rückständig, wie die Venezianer vielleicht glaubten, und Giuliana war auch nicht mehr so unschuldig, wie Ana vielleicht annahm – hinter vorgehaltener Hand erzählten sich Mädchen so allerlei.
Sie wollte niemandem ausgeliefert sein, aber ihr fiel kein Weg ein, wie sie ihr schwankendes Boot den Wellen entreißen konnte. Giuliana trat an das Fenster ihrer Kammer, öffnete es, und kalte Luft strömte herein. Diesmal fuhr kein Karnevalszug auf dem schmalen Kanal vor dem Haus vorbei, dafür drei hochbeladene Lastkähne. Sie brachten Steine, Ziegel und Bauholz, auf einem von ihnen entdeckte Giuliana auch einige Marmorblöcke. Arm oder reich – in Venedig wurde immer gebaut.
Die Kähne glitten außer Sicht und damit auch die Ablenkung, die sie geboten hatten. In der Kammer wurde es außerdem empfindlich kalt, sie schloss das Fenster wieder. Zwei Tage noch, dann musste sie sich in die Hände eines fast unbekannten Mannes begeben. Er konnte gut küssen und war der unverschämt gut aussehende Sohn eines reichen Patriziers, mehr wusste sie nicht über ihn. Für Amadeo schien das Leben ein Spiel zu sein; für sie war es bitterer Ernst, ihre Rolle als Giulio in Venedig überzeugend zu spielen. Sie warf sich aufs Bett. Wenn ihr doch nur etwas einfallen wollte, wie sie
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