Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
sie mit nächtlichen Maskeraden zu schockieren. Heutige Lehrlinge gaben sich wahrscheinlich ähnlichen Vergnügungen hin. Aber doch nicht seine Giuliana, sie war schließlich ein Mädchen.
Er wollte aus dem Haus rennen und sie suchen, jede Taverne der Stadt durchkämmen, aber ehe er auch nur mit denen in Cannareggio durch wäre, wäre die Nacht lange vorüber, und seine Giuliana wäre längst wieder zu Hause. Er blieb auf dem Bett sitzen, konnte jedoch nicht aufhören, daran zu denken, was einem Mädchen nachts alles zustoßen konnte.
Für sein Gefühl dauerte es sehr lange, bis er hörte, wie leise die Haustür geöffnet wurde und Schritte die Treppe hinauftappten. Er straffte sich und setzte eine strenge Miene auf.
Giuliana wusste auch, wie die Tür geräuschlos zu öffnen war. Als sie eben ins Zimmer treten wollte, blieb sie stehen, als wäre sie mitten in der Bewegung erstarrt.
»Papà«, brachte sie mühsam heraus. »Was machst du hier?«
»Ich warte auf dich.« Seine Stimme klang ruhiger, als er sich fühlte; er war selbst erstaunt darüber. »Ich dachte, wir hätten vereinbart, dass du nachts nicht allein in Venedig unterwegs bist? Ist dir klar, welche Sorgen ich mir gemacht habe, als ich dein Bett verwaist fand?«
»Deshalb solltest du es nicht entdecken.« Sie nagte an ihrer Unterlippe, ein sicheres Zeichen höchster Anspannung bei ihr.
»Giuliana!« Er sprach lauter und strenger. »Für ein anständiges Mädchen gehört es sich nicht, nach dem Abendläuten ohne eine Begleitung zu ihrem Schutz unterwegs zu sein. Es gehört sich für dich überhaupt nicht, unterwegs zu sein.«
»Ich bin Giulio«, erinnerte sie ihn, kam ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Ihre Wangen waren gerötet, und sie sah aus, als hätte sie den Abend über sehr viel Spaß gehabt.
»Ob Giulio oder Giuliana ist mir egal. Du bleibst zu Hause und gehst nur zur Arbeit aus dem Haus oder wenn Ana und ich genau wissen, wo du bist.«
»Papà.« Sie kam einen Schritt auf ihn zu und streckte die Arme aus, als wolle sie sich auf seinen Schoß kuscheln, wie sie es früher getan hatte, überlegte es sich jedoch anders.
»Wo warst du?«
Wieder nagte sie an ihrer Unterlippe. »Papà. Ich muss Giulio sein, immer und überall. Wir fliegen auf, wenn ich es nur hin und wieder bin. Deshalb muss ich machen, was andere Lehrjungen auch tun. Ich – ich war mit Steinmetzlehrlingen unterwegs. Das sind Burschen.«
»Du kannst doch nicht …« Der Gedanke an seine Kleine mitten in einer Horde wüster Jungen ließ ihm die Nackenhaare zu Berge stehen. »Was habt ihr gemacht?«
»Gewürfelt.«
Er verschluckte sich beinahe. Würfelspiel war ein beliebter Zeitvertreib aller Klassen und Schichten, und mehr als eine reiche Familie war dabei arm geworden, und Arme noch ärmer; er hatte jedoch noch nie gehört, dass ein Armer reich geworden wäre.
»Ich muss bei so etwas mittun, die anderen lachen sonst über mich«, erklärte sie hastig. »Du willst doch nicht, dass dein Sohn und Lehrling für verschroben gehalten wird? Ich war sehr vorsichtig. Niemand hat einen Verdacht geschöpft.«
»Du hast getrunken. Was hast du überhaupt für einen Anzug an?«
»Nur ein einziges Glas Wein.« Sie schaute an sich herunter. »Den habe ich gewonnen, Papà. Der ist viel besser als mein alter Anzug.«
Sie log. Er hörte es an der übertriebenen Art, in der sie die Worte betonte. Wo war sie wirklich gewesen? Und wohin war sein kleines Mädchen verschwunden, das immer die Ärmchen um seinen Hals geschlungen hatte? Stattdessen stand eine gähnende Tochter vor ihm, die ihm frech ins Gesicht log. Was hatte er falsch gemacht?
Mit hängenden Schultern stand er auf, ging an ihr vorbei und verließ ihre Kammer. Schweren Schrittes tappte er die Treppe hinter, aber nicht zurück in sein Bett – Schlaf würde er in dieser Nacht nicht mehr finden.
Zumindest die Antwort auf eine seiner Fragen war einfach: Er hätte sich nie auf dieses Verwirrspiel einlassen sollen, daraus konnte nichts Gutes erwachsen. Das war ihm gleich klar gewesen, aber in glühenden Farben hatte Giuliana ihm geschildert, wie sie in Venedig offen zusammenarbeiten konnten, wie sie zeigen konnte, was er ihr alles beigebracht hatte. Und wie viel Spaß es machte, alle hinters Licht zu führen. Sie hatte geschmeichelt und gebettelt – dem hatte er noch nie widerstehen können. Jetzt war es zu spät.
Giuliana dachte über die letzte Nacht nach, während sie ihre Arbeit in Madonna di San Fantino
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