Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
recht, wenn jemand, den ich beschäftige, sich etwas zuschulden kommen lässt – selbst wenn es sich nur um den Dummejungenstreich eines Lehrburschen handelt.«
»Mein Giulio lässt sich nichts zuschulden kommen.« Der Drang, sich mit einem Faustschlag Luft zu verschaffen, wurde beinahe übermächtig.
»Ich verlasse mich darauf.« Ludovico Bragadin schritt seinen Geschäften entgegen.
»Der Teufel soll dich holen, so über mein Kind zu reden«, murmelte Il Sasso . Er öffnete die Hand und ließ die Kelle zu Boden fallen. Ihre scharfen Ränder hatten tief in seine Handfläche eingeschnitten.
Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Auf dem Treppenabsatz stand die junge Signora Bragadin, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Sie eilte davon, als sie sich entdeckt sah. Hatte sie seine letzten Worte gehört?
»Euer Sohn ist verhindert?« Amadeo stürmte die Treppe herunter und packte Giulianas Vater an der Schulter. Der Mann hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren. »Was ist mit ihm? Redet!«
»Er ist heute nicht da. Was interessiert es Euch? Die Arbeit wird darunter nicht leiden.«
Was faselte dieser Mann? Amadeo spürte deutlich, dass Il Sasso ihm etwas verschwieg. Die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Als ob es darum geht. Redet, was ist mit Giulio? Ist er krank?«
»Nicht krank.«
»Amadeo, Schwager.« Sancias nörgelige Stimme erklang vom Treppenabsatz. »Dieser Mann hat sich ungebührlich gegen Euren Vater betragen. Du musst ihn in seine Schranken weisen.«
»Überlass mir diese Entscheidung.«
Die schöne Spanierin mit ihrer kleinkrämerischen und hochfahrenden Art ging ihm jeden Tag mehr auf die Nerven. Deodato wäre mit Rafaela Correr definitiv besser dran gewesen – alle Bragadins wären mit ihr besser dran.
»Verschwinde«, fuhr er sie an. »Was ich mit Il Sasso zu bereden habe, geht dich nichts an.«
Sie zog beleidigt ab, und weil Deodato vor einem Dutzend Tagen mit der Maestoso nach Malta in See gestochen war, konnte sie sich bei ihm nicht beklagen. Sonst rannte sie mit jeder Kleinigkeit zu ihm, und er konnte ihr nichts abschlagen, deshalb war schon mehr als ein Diener wegen kleinerer Vergehen streng bestraft worden. Erleichtert wandte er sich wieder dem Mosaikleger zu, beugte sich zu ihm herunter.
»Ich kenne Giulio besser, als es den Anschein hatte. Ich weiß sogar von seinem Geheimnis«, murmelte er vertraulich. »Wenn etwas geschehen ist, müsst Ihr es mir sagen, Meister Sasso.«
»Nichts ist geschehen, und es gibt auch kein Geheimnis.«
»Ich weiß, dass Euer Sohn in Wirklichkeit ein Mädchen ist und Giuliana heißt.«
»Das stimmt nicht.« Il Sasso konnte sein Erschrecken aber nicht verbergen.
Amadeo wurde ungeduldig, der Mann hatte sich nun lange genug geziert. »Ich sehe doch, dass Euch etwas zu schaffen macht, und Giulio ist nicht da. Ich kann eins und eins zusammenzählen und will Euch nichts am Zeug flicken. Wenn Giulio krank ist, kann ich Euch den besten Arzt Venedigs besorgen.«
»Warum wollt Ihr das tun? «
Amadeo biss sich auf die Unterlippe. Welcher Art seine Beziehung zu Giuliana war, konnte er dem Vater unmöglich enthüllen. »Ich bin ein Menschenfreund. Euer Sohn – äh, Eure Tochter ist ein nettes Ding, mir gefällt ihr Mut.«
Der Mosaikleger seufzte. »Sie ist verschwunden. Vor drei Tagen haben meine Haushälterin und ich morgens ihr Fehlen bemerkt. Sie ist die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen. Am Nachmittag zuvor wollte sie zum Bader gehen wegen Zahnschmerzen. Wir waren bei allen Badern, bei keinem ist sie gewesen, niemand kannte sie.«
Ein schmales Lächeln huschte über Amadeos Gesicht. Die Geschichte mit dem Bader hatte Giuliana sich ausgedacht, um aus dem Haus zu schlüpfen und sich mit ihm für ein paar Küsse treffen zu können. Vor vier Tagen hatte er vergeblich auf sie gewartet und sich nichts dabei gedacht. Vielleicht war sie nicht aus dem Haus gekommen, weil ihre Ana Verdacht geschöpft hatte. Er hatte sich keine Sorgen gemacht.
»Wir waren auf der Quarantia Criminale. Der Schreiber hat eine Menge unangemessene Fragen gestellt, machen tun sie nichts. Angeblich suchen die Stadtwachen sie.« Il Sasso spuckte aus.
»Oh, tut mir leid.« Zu spät hatte er sich daran erinnert, in wessen Haus er war.
»Schwager, was ist passiert?« Sancia war wieder oben an der Treppe erschienen.
»Gar nichts! Verschwinde!«
»Schwager …«
»Hau ab!« Er wandte sich wieder Il Sasso zu, der grau und müde aussah. »Eure Tochter ist
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