Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
Mann.
»Was soll das?« Alvise donnerte die Faust auf einen Tisch. »Meine To… äh … mein Sohn ist verschwunden, und Ihr unterstellt ihm, von zu Hause geflohen zu sein. Sucht ihn.«
»Alvise.« Ana unterbrach seine Schimpftirade sanft aber bestimmt. »Er muss das fragen, er muss doch wissen, was Giulio für ein Mensch ist.«
Sie hatte sich offenbar besser im Griff, deshalb überließ er ihr das Reden. Sie berichtete, wie sie das Verschwinden entdeckt hatte, wo sie nach Giulio gesucht hatten, wann sie den Jungen zum letzten Mal gesehen hatten und von seinem Vorhaben, zu einem Bader zu gehen. Sie kam dabei kein einziges Mal in Versuchung, Giuliana statt Giulio zu sagen. Tapfere Frau, seine Ana.
»Der Bader hätte eine Spur sein können. Jetzt sieht es so aus, als hätte Euer Sohn sein Verschwinden sorgfältig geplant.«
Er schüttelte heftig den Kopf, seine Kiefer mahlten. Es gelang ihm dann aber, ruhig zu antworten: »Giulio hat keinen Grund, heimlich zu verschwinden. Er ist gerne in Venedig und arbeitet gerne als mein Lehrjunge.«
»Ihr habt keine Hinweise, wo er sein könnte und was ihm zugestoßen sein könnte? Das macht eine Suche schwierig. Ich weiß nicht einmal, ob ein Verbrechen vorliegt und die Quarantia Criminale zuständig ist. Weil Ihr Euch wirklich Sorgen um Euren Sohn macht, gebe ich alles an die Stadtwachen weiter, damit sie die Augen offen halten. Sucht auch selbst.«
»Das sowieso.«
»Wenn das dann alles ist, ich muss schließen …«
Alvise verstand. Der Schreiber wusste längst nicht alles, mehr konnten sie ihm aber nicht offenbaren. Er stand mit Ana auf der Piazza San Marco. Hinter ihnen fiel eine Tür ins Schloss, dann wurde ein Riegel geräuschvoll vorgelegt und ein Schlüssel herumgedreht.
»Sie werden gar nichts tun«, stieß er hervor.
»Wir müssen selbst suchen. Unserem Lämmchen ist nichts passiert, das spüre ich in meinem Herzen.«
»Bete zum Allmächtigen, dass du dich nicht irrst. Sonst … Gnade Gott diesem Schreiber.« Er wollte seine Tochter wiederhaben, vorher fand er keine Ruhe.
Kapitel 13
Der Kapitän – seinen Namen wusste sie immer noch nicht – war unverkennbar stolz auf die Madonna di Tempesta. Er schritt auf dem Deck hin und her und verlangte Gehorsam aufs Wort. Ging ihm etwas nicht schnell genug, war er dafür umso schneller mit der Peitsche, und hatte er erst einmal den ersten Hieb des Tages verteilt, lief die Arbeit an Bord umso reibungsloser. Der Mann hatte aber auch sein Wort gehalten: Sie durfte sich als Giulio frei bewegen, und niemand belästigte sie. In den ersten Tagen hatte sie noch manch lüsternen Blick ertragen müssen, bevor die Männer nach und nach zu vergessen schienen, dass sie in Wirklichkeit ein Mädchen war.
Ihr Lieblingsplatz befand sich am Bug der Madonna di Tempesta, wo sie sehen konnte, wie das Schiff die Wellen zerschnitt, die Gischt aufschäumte. Es wirkte dann, als glitten sie mit unendlicher Geschwindigkeit über das Meer; betrachtete man hingegen die ferne Küste Dalmatiens, schien die schlanke Signora auf der Stelle zu stampfen. Das Geheimnis dieser Sinnestäuschung vermochte Giuliana nicht zu lösen.
Aristides, der Stellvertreter des Kapitäns, und neben Marcello der Einzige, der ihr seinen Namen verraten hatte, stellte sich neben sie. »Komm lieber da weg, Junge.« Wie immer betonte er diese Anrede seltsam. »Wind kommt auf.«
Giuliana blickte zum Himmel auf, dessen Blau von nicht mehr als ein paar Federwolken unterbrochen wurde. Der Wind wehte mit einer Stärke, die die Seeleute Brise nannten, und der gerade das Segel füllte.
»Es wird so kommen, wie ich es sage.«
Sie presste eine Hand auf den Mund. Wie Aristides es gesagt hatte, klang es, als besitze er göttliche Macht, den Wind herbeizurufen. Ein Kichern stieg in ihrer Kehle auf, allerdings wäre das mädchenhaft gewesen.
Der Grieche zuckte mit den Schultern und ging zu seiner Arbeit zurück – worin sie auch immer bestand. Giuliana blieb am Bug stehen, schaute aufs Meer hinaus und fragte sich, wie viele Tage sie noch bis Istanbul unterwegs wären. Was hatte der Kapitän dort mit ihr vor? Ihr konnte es egal sein, denn ihr Plan war inzwischen, bei der ersten Gelegenheit zu türmen und sich durchzuschlagen bis nach Venedig.
Trotzdem musste sie unaufhörlich an Amadeo und ihren Vater denken. Was taten sie gerade, was dachten sie? Sorgten sie sich um sie und suchten nach ihr? Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie wischte sie unauffällig fort und
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