Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
hing sie auf der Pritsche und wartete, dass das Meer und ihr Magen sich endlich wieder beruhigten. Die Madonna di Tempesta stampfte durch ein Wellental nach dem nächsten; lag sie einmal für einen Augenblick ruhig auf dem Wasser, ging es gleich darauf umso heftiger weiter.
Endlose Stunden später, die Nacht war längst hereingebrochen, flaute der Sturm ab. Giuliana schleppte sich an Deck. Ruhig und besonnen ging die Mannschaft ihrer Arbeit nach, Segel wurden gesetzt und die Madonna di Tempesta nahm Fahrt auf. In ihrer Nähe standen der Kapitän und Aristides und diskutierten, wie weit der Wind sie von ihrem Kurs abgebracht hatte. Dabei schauten sie immer wieder in den Himmel und schienen sich nicht einig zu werden. Schließlich kehrte der Kapitän seine Autorität heraus.
»Du siehst immer noch aus wie ein lebender Leichnam«, sagte der Mann zu ihr, nachdem Aristides gegangen war, um seine Befehle auszuführen. »Bis Istanbul muss das wieder in Ordnung sein. Sorg dafür.«
»Warum?«
»Damit Istanbul von deiner Schönheit geblendet wird.«
»Darauf lege ich keinen Wert.«
»Dann wirst du dir wünschen, du hättest dir mehr Mühe gegeben, Mädchen. Feuerhaar wie deines ist bei den Osmanen sehr begehrt, deinen feurigen Geist verbirgst du besser. In Istanbul müssen Frauen schön und schweigsam sein, und ich kenne einige Mittel, um einer Frau genau das beizubringen.« Bei den letzten Worten streichelte er seine Peitsche und ließ Giuliana stehen, bevor sie etwas erwidern konnte.
Sie hatte keine Angst vor ihm und gab nicht klein bei – nie und nimmer. Giuliana gestattete sich ein kleines Lächeln: Unwissentlich hatte der Kapitän ihr eine Waffe geliefert. Was immer er für sie geplant hatte, zunächst wollte sie sein Spiel mitspielen – solange es ihren eigenen Plänen diente. Bei erster Gelegenheit würde sie dann ihren eigenen Weg gehen. Obwohl sie sich immer noch flau fühlte, zog sie neue Zuversicht aus diesem Gedanken.
Er blinzelte, als er die Skizze betrachtete, die Giuliana gezeichnet hatte. Er musste Tränen fortblinzeln, das lag an seinen schlechter werdenden Augen, redete er sich ein, wusste aber ganz genau, dass die Tränen daher stammten, weil er beim Anblick der Linien auf dem Papier an seine Tochter denken musste. Er kniete auf der Treppe des Palazzo Bragadin und starrte verzweifelt vor sich hin. Die letzten Tage hatte er sich auf seiner Baustelle nicht blicken lassen, sondern hatte mit Ana die Gassen Venedigs durchkämmt auf der Suche nach Giuliana. In Cannareggio hatten sie in jeden Winkel geschaut und unzählige Leute nach Giulio gefragt. Niemand hatte sich erinnert, ihn in den letzten Tagen gesehen zu haben.
Ludovico Bragadin hatte jedoch gestern Abend einen Boten geschickt und anfragen lassen, wann Il Sasso die Arbeiten am Mosaik fortzuführen gedachte. Die wenigen Zeilen auf billigem Papier waren in einem höflichen Ton gehalten gewesen, aber er wusste, zwischen den Zeilen zu lesen und dort stand: Führt die Arbeiten fort, sonst suche ich mir einen anderen Mosaikleger. Schweren Herzens war er deshalb heute Morgen zum Palazzo Bragadin gegangen, hatte im Treppenhaus die Kohlepfannen angezündet, ein wenig rauen Putz angerührt und an die Wand geklatscht. Er bildete auf dem Mauerwerk die erste Putzschicht, darüber kam eine feinere, und dann die letzte, in der die Smalti verlegt wurden.
Draußen herrschte ein unangenehm kalter Wind aus Osten und brachte die Fensterläden zum Klappern. Das Geräusch zerrte an seinen Nerven. Unentschlossen rührte er mit der Kelle im Kübel mit dem Putz, während der auf der Wand langsam trocknete. Schritte auf der Treppe schreckten ihn aus seinen Gedanken auf. Er schaute hoch und direkt in Ludovico Bragadins Gesicht. Er beeilte sich, dem Hausherrn Platz zu machen. Der Patrizier war ganz in Schwarz gekleidet mit einem weißen Krauskragen über dem Wams, er sah aus wie ein erfolgreicher Kaufmann auf dem Weg in sein Kontor. Als stummen Gruß zog Il Sasso seine Kappe vom Kopf.
Am Fuß der Treppe blieb der Patrizier stehen, drehte sich noch einmal um. »Ich sehe, Ihr habt meine Nachricht erhalten.«
Bragadins Stimme klang äußerst zufrieden. Il Sasso wäre am liebsten aufgesprungen und hätte ihm die Faust in den Magen gerammt, stattdessen presste er sie um die Kelle, als wollte er sie zerquetschen. »Und ganz genau verstanden.«
»Euer Sohn ist heute nicht mitgekommen?«
»Er ist verhindert.«
»Er hat hoffentlich nichts angestellt. Es wäre mir nicht
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