Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
Dort draußen gibt es jemanden wie mich, der mit Telepathie nach neuen Opfern sucht. Wenn es mir gelingt, eure Gedanken zu lesen, kann er es auch. Auch wenn meine Meinung nicht viel bedeutet, gebe ich euch den Rat, in Zukunft viel vorsichtiger zu sein.«
Raven zog sich zurück, obwohl Mikhail beschwichtigend 180
die Hand ausstreckte. »Ich versuche nur, euch das Leben zu retten, nicht etwa, euch zu beleidigen.« Nur ihr Stolz hielt Raven davon ab, weinend zusammenzubrechen. Schon jetzt spürte sie den Verlust der Verbindung zu Mikhail. Sie wusste, dass es nie einen anderen Mann geben würde, der sie so lieben und akzeptieren würde und mit dem sie so unbeschwert lachen und reden konnte. »Du brauchst nichts zu sagen, Mikhail. Ich habe deinen >kleinen Kratzer< gesehen. Du hattest Recht damit, dass ihr dort draußen im Wald nicht allein wart. Ich habe euch beobachtet. Dort, wo ich herkomme, bedeutet Aufrichtigkeit, dass man einander die Wahrheit sagt.«
Raven holte tief Atem, zog sich den Ring vom Finger und legte ihn vorsichtig und bedauernd auf den kleinen Tisch neben dem Bett. »Es tut mir wirklich Leid, Mikhail. Ich weiß, dass ich dich enttäusche, aber ich passe nun mal nicht in deine Welt, deren Regeln und Gesetze ich nicht einmal verstehe. Bitte erweise mir die Höflichkeit, dich von mir fern zu halten. Versuche bitte nicht, mit mir in Kontakt zu treten, denn wir beide wissen, dass ich gegen deine Kräfte nichts ausrichten kann. Ich werde mit dem nächsten Zug abreisen.«
Sie drehte sich um und ging zur Tür, die jedoch plötzlich mit einem lauten Knall zuschlug. Raven hielt inne, blickte sich aber nicht um. Eine düstere, gefährliche Spannung schien in der Luft zu liegen. »Ich glaube nicht, dass wir diese Angelegenheit in die Länge ziehen sollten. Du brauchst jetzt medizinische Versorgung. Was deine Leute vorhaben, darf offenbar nicht von einer Außenseiterin beobachtet werden, also lass mich gehen, Mikhail, damit sie dir helfen können.«
»Lasst uns allein«, befahl Mikhail. Die drei Männer gehorchten nur zögernd.
»Raven, bitte komm her. Ich bin geschwächt, und es würde mich zu viel Kraft kosten, dich zu holen.« Es lag so viel 181
Zärtlichkeit und Ehrlichkeit in seiner Stimme, dass es Raven beinahe das Herz brach.
Sie schloss die Augen und bemühte sich, der Versuchung seiner Stimme zu widerstehen, deren sanfter, sinnlicher Ton sie ganz zu durchdringen und ihr Herz in Wärme einzuhüllen schien. »Nein, diesmal nicht, Mikhail. Wir leben nicht nur in verschiedenen Welten, wir haben auch unterschiedliche Werte. Wir haben es versucht - ich weiß, wie sehr du es dir gewünscht hast -, aber ich kann so nicht leben.
Vielleicht hätte ich es nie gekonnt. Alles hat sich viel zu schnell ereignet, obwohl wir einander kaum kannten.«
»Raven.« Allein der Klang ihres Namens ließ sie erschauern. »Komm zu mir.«
Sie presste sich die Hand gegen die Stirn. »Ich kann nicht, Mikhail. Wenn ich dir wieder nachgebe, verliere ich meine Selbstachtung.«
»Dann lässt du mir keine andere Wahl, als zu dir zu kommen.« Er richtete sich mühsam auf und benutzte beide Hände, um sein verletztes Bein zu bewegen.
»Nein!« Erschrocken fuhr sie herum. »Hör auf, Mikhail.
Ich rufe die anderen herein.« Raven drückte ihn wieder in die Kissen.
Plötzlich umfasste Mikhail überraschend kräftig ihren Nacken. »Du bist der einzige Grund dafür, dass ich noch am Leben bin. Ich habe dir gesagt, dass ich Fehler machen würde. Du darfst uns nicht so einfach aufgeben. Außerdem kennst du mich, weißt alles Wichtige von mir. Du kannst jederzeit meine Gedanken lesen und sehen, wie sehr ich dich brauche. Ich könnte dir nie wehtun.«
»Das hast du aber. Diese Situation verletzt mich. Die Männer dort draußen sind deine Familie, dein Volk. Ich komme aus einem anderen Land und gehöre sogar einer anderen Rasse an. Hier wird niemals mein Zuhause sein.
Lass mich jetzt die anderen rufen, damit ich endlich gehen 182
kann.«
»Du hast Recht, Raven. Ich versprach dir, dass es zwischen uns keine Lügen geben würde. Aber trotzdem habe ich das Bedürfnis, dich vor allem zu beschützen, das dich erschrecken oder dir Schaden zufügen könnte.« Mikhail strich mir dem Daumen über ihre Wange und ihre sinnlichen Lippen.
»Bitte geh nicht, Raven. Es würde mich umbringen, wenn du mich verlässt.« Er sah ihr in die Augen und versuchte nicht einmal, vor ihr zu verbergen, wie sehr er die Wahrheit gesprochen hatte und wie
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