Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
nicht in der Lage sein, dir beim Einschlafen zu helfen. Wirst du es Eric oder Byron gestatten ?
Die Idee missfiel Mikhail. Raven lächelte unwillkürlich.
Ihm schien nicht klar zu sein, wie viele seiner Gedanken sie lesen konnte. Er wollte sie in Sicherheit wissen, doch einem anderen zu gestatten, etwas so Persönliches wie einen Schlafzauber an Raven zu vollziehen, fiel ihm schwer. Ich werde es schon überleben, Mikhail. Ehrlich gesagt, kann ich diese Dinge schon von dir kaum annehmen.
Einem anderen Mann würde ich es nie erlauben. Es wird mir nichts passieren, das verspreche ich dir.
Ich liebe dich, Kleines. So heißt es in den Worten deines Volkes, und so meine ich es. Mit letzter Kraft sandte Mikhail eine telepathische Botschaft an den einzigen Menschen, dem er Ravens Sicherheit anvertrauen konnte.
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Raven schloss die Augen. Sie wusste, dass sie ihn gehen lassen musste, bevor seine Kraft versiegte. Schlaf, Mikhail Du bist mein Gefährte, wie man in der Sprache deines Volkes sagt.
Raven blickte noch lange, nachdem Mikhail fort war, starr an die Decke. Nie zuvor hatte sie sich so einsam gefühlt, so verlassen und leer. Sie saß im Bett, schlang die Arme um sich und wiegte sich leicht hin und her, um sich zu entspannen. Ihr ganzes bisheriges Leben hatte sie allein verbracht und bereits als kleines Mädchen gelernt, sich selbst zu genügen.
Sie seufzte. Es war so unsinnig. Mikhail würde wieder gesund werden. Raven nahm sich vor, die Zeit zu nutzen, Bücher zu lesen und ihr Studium der Landessprache fortzusetzen. Sie stand auf und ging barfuß im Zimmer auf und ab. Ihr war kalt, und sie rieb sich die Arme, um sich ein wenig aufzuwärmen.
Schließlich knipste sie die Lampe an und holte den neu-esten Taschenbuch-Bestseller aus ihrem Koffer. Sie war entschlossen, sich in einem spannenden Netz aus Mord und Verrat zu verlieren, gewürzt mit etwas Liebe und Leidenschaft. Nach einer Stunde, in der sie dieselben Absätze zwei-oder dreimal gelesen hatte, ohne die Worte in sich aufzunehmen, warf Raven das Buch frustriert in die Ecke.
Wie sollte sie sich in Bezug auf Mikhail entscheiden? Sie hatte in den Staaten keine Familie mehr, niemanden, dem es etwas ausmachen würde, wenn sie nicht zurückkehrte. Trotz aller Vorfälle wollte sie noch immer bei Mikhail sein und sehnte sich nach seiner Nähe. Die Vernunft gebot, dass sie abreiste, bevor sie sich noch tiefer in die Affäre verstrickte, doch in ihrem Herzen hatte die Vernunft keinen Platz mehr.
Erschöpft strich sich Raven durchs Haar. Außerdem wollte sie auch nicht zu ihrer Arbeit zurückkehren und wieder und wieder wahnsinnige Mörder verfolgen.
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Doch was würde aus ihr und Mikhail werden? Raven hatte noch nicht gelernt, Nein zu ihm zu sagen. Sie wusste, was Liebe war, und hatte auch schon Paare kennen gelernt, die einander wahre Liebe entgegenbrachten. Doch ihre Gefühle für Mikhail hatten kaum noch Ähnlichkeit mit Liebe. Sie empfand mehr als Zuneigung und Leidenschaft, ihre Gefühle grenzten an Besessenheit. Mikhail war ein Teil von ihr geworden, sie spürte ihn in ihrem Blut und in ihrem Herzen. Es war, als wäre er in ihr Inneres eingedrungen, um einen verborgenen Teil ihrer Seele zu stehlen.
Es lag nicht nur daran, dass sie sich nach seiner Liebe sehnte, dass ihr Körper in Flammen zu stehen schien, wenn sie nur an Mikhail dachte. Sie verhielt sich wie eine Süchtige, die verzweifelt auf die nächste Dosis ihrer Droge wartete.
War das nun Liebe oder Besessenheit? Raven dachte auch an Mikhails Empfindungen für sie. Seine Emotionen waren so intensiv und ungebändigt. Angesichts seiner Gefühle schienen ihre bis zur Unkenntlichkeit zu verblassen. Die Beziehung zu Mikhail jagte Raven Angst ein. Er war so gebieterisch und besitzergreifend, so wild und zügellos.
Mikhail Dubrinsky war ein gefährlicher Mann, der über sein Volk herrschte und an unbedingten Gehorsam gewöhnt war.
Sein Wort war Gesetz, und sein Volk verließ sich auf ihn.
Raven barg das Gesicht in den Händen. Er brauchte sie. Es gab keine andere Frau für ihn. Sie war die einzige. Raven war sich nicht sicher, woher sie das wusste, zweifelte aber nicht im Geringsten daran. Sie hatte es in seinen Augen gesehen. Wenn Mikhail andere Leute ansah, wirkte sein Blick kühl und distanziert. Doch sobald er sie, Raven, erblickte, funkelten seine Augen vor Leidenschaft. Mikhails Mund wirkte manchmal hart und wies einen grausamen Zug auf, es sei denn, er sprach oder lachte mit ihr. Kein
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