Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
Galvenstein nie eine Gelegenheit auslassen, etwas für Mikhail zu tun. Er ist sehr großzügig und verlangt kaum Gegenleistungen. Wenn ich mich recht erinnere, hat er den Gasthof gekauft und mit Mrs. Galvenstein eine Ratenzah-lung über eine monatliche Summe vereinbart, die sie sich leisten kann.«
Raven kehrte Pater Hummer den Rücken zu, da sie nicht im Stande war, die Tränen zurückzuhalten. »Es tut mir Leid, Pater, aber ich kann jetzt nicht mit Ihnen sprechen.
Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.«
Der Priester reichte ihr ein Taschentuch. »Mikhail ahnte, dass diese Nacht und der morgige Tag sehr schwer für Sie werden würden. Er hoffte, Sie würden diese Zeit mit mir verbringen.«
»Ich habe solche Angst!«, gestand Raven. »Dabei ist es so dumm. Ich habe keinen Grund, mich zu fürchten, und weiß selbst nicht, warum ich mich so aufführe.«
»Mikhail geht es gut. Er ist nicht so leicht umzubringen.
Ich kenne ihn schon seit vielen Jahren und weiß, dass Mikhail alle Schwierigkeiten überwinden kann.«
Kummer. Er schien jede Faser ihres Körpers und jeden Winkel ihrer Seele zu durchdringen. Sie hatte Mikhail ver-198
loren. Innerhalb der letzten Stunden, in denen sie von ihm getrennt gewesen war, hatte er sich davongestohlen. Raven schüttelte den Kopf. Die tiefe und quälende Trauer schien sie zu erdrücken, sodass sie kaum noch atmen konnte.
»Hören Sie auf, Raven.« Pater Hummer legte den Arm um sie, führte sie zum Bett und drückte sie sanft auf die Bettkante. »Mikhail bat mich, bei Ihnen zu bleiben. Er sagte, dass er Sie schon am frühen Abend abholen würde.«
»Sie wissen ja nicht. .. «
»Warum hätte er mich sonst zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett geholt? Ich bin ein alter Mann und brauche meine Ruhe. Sie müssen sich beruhigen, mein Kind, und nachdenken.«
»Aber es ist so schrecklich, als wäre er tot und für immer für mich verloren.«
»Sie wissen jedoch, dass es sich nicht so verhält«, erwiderte der Priester. »Mikhail hat Sie erwählt. Sie teilen das Leben mit ihm, wie es bei seinem Volke Brauch ist. Karpatianische Gefährten sind körperlich und geistig miteinander verbunden und stellen diese Verbindung über alles andere.
Sie brauchen einander so sehr, dass sie den Verlust des Gefährten nur selten überleben. Die Karpatianer sind wild, frei und naturverbunden, mit starken animalischen Instinkten, verfügen jedoch über erstaunliche Fähigkeiten und ein ausgeprägtes Gewissen.«
Pater Hummer betrachtete Ravens tränennasses Gesicht.
Sie atmete noch immer schwer, schien sich jedoch ein wenig zu beruhigen. »Hören Sie mir zu, Raven?«
Sie nickte und bemühte sich, seinen Worten zu folgen.
Dieser Mann kannte Mikhail seit Jahren. Sie spürte die Zuneigung, die Pater Hummer für Mikhail empfand.
»Es hat Gott gefallen, Ihnen die Gabe zu schenken, diese außergewöhnliche Beziehung mit Mikhail einzugehen. Doch damit tragen Sie auch große Verantwortung. Sie halten 199
buchstäblich Mikhails Leben in den Händen. Deshalb müssen Sie die Trauer überwinden und Ihren Verstand gebrauchen. Mikhail ist nicht tot, und Sie wissen, dass er zu Ihnen kommen wird. Er hat mich zu Ihnen geschickt, weil er befürchtete, Sie könnten sich etwas antun. Denken Sie nach, vertrauen Sie auf Ihre Willenskraft.«
Raven versuchte zu verstehen, was ihr der Priester erklärte.
Sie fühlte sich, als wäre sie in eine tiefe Grube gefallen, aus der sie sich nicht befreien konnte. Angestrengt konzentrierte sie sich auf Pater Hummers Worte und zwang sich dazu, tief durchzuatmen. War es möglich? Hatte Mikhail wirklich gewusst, was ihr bevorstehen würde? Verdammt sollte er sein!
Entschlossen wischte sich Raven die Tränen ab und nahm sich zusammen. Sie verdrängte den Kummer, sodass sie endlich wieder bei klarem Verstand war. Dennoch fühlte sie, dass die Verzweiflung am Rande ihres Bewusstseins lauerte und sie jederzeit wieder zu überwältigen drohte. »Warum kann ich denn außer Wasser nichts zu mir nehmen?«
Erschöpft massierte sie sich die Schläfen und bemerkte nicht, dass der Priester erschrak.
Er räusperte sich. »Seit wann befinden Sie sich in diesem Zustand?«
Raven hob den Kopf. Sie versuchte mit aller Kraft, das Beben ihres Körpers zu unterdrücken, streckte die Hände aus und beobachtete kopfschüttelnd, wie sie zitterten. »Ist das nicht albern?«
»Kommen Sie mit mir, mein Kind. Die Sonne wird bald aufgehen. Ich würde mich geehrt fühlen, wenn Sie den Tag mit mir
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