Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
Zweifel, er brauchte sie.
Wieder ging Raven unruhig im Zimmer umher. Seine 195
Lebensweise und die Bräuche seines Volkes waren ihr so fremd. Du hast ja nur Angst, schalt sie sich selbst und presste ihre heiße Stirn an die kühle Fensterscheibe. Du befürchtest, dass du nie die Kraft findest, ihn zu verlassen.
Mikhail verfügte über so viel Macht und zögerte nicht, sie einzusetzen. Doch um der Wahrheit die Ehre zu geben, musste sich Raven eingestehen, dass auch sie ihn brauchte.
Sein Lachen, seine zärtlichen Berührungen, seine Leidenschaft, das drängende Verlangen in seinem Blick. Die Gespräche mit ihm, seine Intelligenz, sein Sinn für Humor, der ihrem so ähnlich war. Sie gehörten zusammen. Sie waren die zwei Hälften eines Ganzen.
Abrupt blieb Raven mitten im Zimmer stehen, so sehr schockierten sie diese Gedanken. Warum glaubte sie nur so fest daran, dass Mikhail und sie füreinander bestimmt waren ? Ihr Geist schien sich zu verwirren, sodass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Für gewöhnlich handelte sie sehr überlegt und rational, doch im Augenblick schien sie dazu nicht in der Lage zu sein. Die Sehnsucht nach Mikhail brachte sie um den Verstand. Sie musste einfach wissen, dass es ihm gut ging und er in ihrer Nähe war.
Ohne darüber nachzudenken, suchte sie nach der telepathischen Verbindung und fand .. . Leere. Entweder befand er sich zu weit entfernt oder schlief dank der Beruhigungsmittel zu fest, als dass sie ihn hätte erreichen können. Dieses Wissen machte Raven zu schaffen. Sie fühlte sich einsamer denn je.
Raven setzte sich wieder in Bewegung, weil sie die Stille nicht aushalten konnte. Immer wieder durchquerte sie das Zimmer, bis sie schließlich völlig erschöpft war. Mit jedem Schritt schien ihr das Herz schwerer zu werden. Sie war nahe daran, gänzlich die Kontrolle über sich zu verlieren, und konnte kaum noch atmen. Verzweifelt versuchte sie, Kontakt zu Mikhail aufzunehmen, nur um sich zu vergewis-196
sern, dass er in Sicherheit war. Doch es gelang ihr nicht.
Raven Heß sich aufs Bett sinken, zog die Beine an und umklammerte das Kissen. Eine tiefe Trauer um Mikhail überwältigte sie, bis sie an nichts anderes mehr denken konnte. Er war fort. Mikhail hatte sie verlassen, und nun war sie ganz allein, ein Schatten ihrer selbst. Raven liefen die Tränen über die Wangen, während das Gefühl der Einsamkeit an ihrer Seele zerrte. Ohne Mikhail konnte sie einfach nicht leben.
Ihre Reisepläne und alle vernünftigen Überlegungen bedeuteten nichts mehr, obwohl Raven wusste, dass es unmöglich war, so für einen Mann zu empfinden. Mikhail konnte nicht ihre zweite Hälfte sein, schließlich war sie viele Jahre lang auch ohne ihn ausgekommen. Und nun hätte sie sich am liebsten vom Balkon gestürzt, nur weil sie keinen Kontakt zu ihm aufbauen konnte.
Raven stand auf und ging zum Fenster, langsam und zögernd, als lenkte nicht sie selbst ihre Schritte. Entschlossen stieß sie die Flügeltüren zum Balkon auf, sodass die kalte, feuchte Nachtluft ins Zimmer strömte. Die Berge und Wälder waren in dichten Nebel gehüllt, doch Raven hatte keinen Sinn für die Schönheit der Natur. Ohne Mikhail war alles sinnlos. Raven umklammerte die Balkonbrüstung und ertastete zwei tiefe Kratzer im Holz. Immer wieder ließ sie ihre Fingerspitzen darüber gleiten, als wären diese Furchen ihr einziger Trost in einer kalten, einsamen Welt. »Miss Whitney?«
Raven war so mit ihrem Kummer beschäftigt gewesen, dass sie niemanden bemerkt hatte. Erschrocken fuhr sie herum.
»Verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken«, versicherte Pater Hummer ruhig und erhob sich von dem Stuhl, der in der Ecke des Balkons stand. Der Priester hatte sich eine Decke um die Schultern gelegt, doch Raven sah, dass er fröstelte. »Sie sind hier draußen nicht sicher, meine Liebe.«
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Pater Hummer führte Raven ins Zimmer zurück und verschloss die Balkontür sorgfältig.
Raven fand die Sprache wieder. »Was, um alles in der Welt, wollten Sie denn da draußen? Wie kommen Sie hierher?«
Der Priester lächelte verschmitzt. »Das war nicht schwer.
Mrs. Galvenstein ist ein Mitglied meiner Gemeinde und sie weiß, dass ich mit Mikhail befreundet bin. Ich erklärte ihr, dass Sie Mikhails Verlobte sind und dass er mich gebeten hat, Ihnen etwas auszurichten. Da ich alt genug bin, um Ihr Großvater zu sein, hatte die Wirtin nichts dagegen, dass ich draußen auf dem Balkon auf Sie wartete. Außerdem würde Mrs.
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