Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
ihrem Mann getrennt ist.«
»Nun, vielleicht sollten wir darauf hoffen, dass es Mikhail nicht viel besser ergeht«, bemerkte Pater Hummer lächelnd.
Alles in Raven rebellierte bei dem Gedanken, dass Mikhail auf irgendeine Weise leiden könnte. Dennoch zwang sie sich zu einem Lächeln. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Mikhail im Augenblick gar nichts fühlt.«
Der Priester musterte Ravens trauriges Gesicht. »Mikhail hatte großes Glück, Sie zu finden. Sie verfügen über ebenso viel innere Kraft wie er.«
»Dann scheine ich mich ja gut verstellen zu können.«
Raven wischte sich einige Tränen ab. »Denn eigentlich fühle ich mich einem Zusammenbruch nahe. Und ich bin nicht gerade gut auf Mikhail zu sprechen.«
»Das kann ich verstehen, aber trotzdem galt Ihr erster Gedanke seinem Wohlergehen. Und Sie waren entsetzt von der Vorstellung, dass auch er unter der Trennung leiden könnte.«
»Mikhail wirkt oft so traurig, als läge die Last der Welt auf seinen Schultern. Ich sehe ihm den Kummer an. Der Ausdruck liegt nicht in seinem Blick, sondern scheint sich in seine Züge eingegraben zu haben.« Raven seufzte. »Wahrscheinlich ergibt das alles keinen Sinn. Aber trotzdem braucht Mikhail jemanden, der die Schatten auf seiner Seele vertreibt.«
»Das ist eine bemerkenswerte Beschreibung, mein Kind, und ich weiß, was Sie meinen, denn ich sehe dieselben Dinge in Mikhail. Schatten auf seiner Seele«, wiederholte der Priester nachdenklich, »das trifft es genau.«
Raven nickte. »Es ist, als hätte er in seinem Leben zu viele schreckliche Dinge gesehen, die ihn allmählich in die Finsternis hineinziehen. Wenn ich bei ihm bin, spüre ich es deutlich. Er steht als Wächter vor dem Tor zum Bösen und hält Dämonen in Schach, während wir anderen friedlich 209
weiterleben, ohne überhaupt zu ahnen, dass wir bedroht werden.«
Pater Hummer stockte der Atem. »So sehen Sie ihn? Als Wächter vor dem Tor zum Bösen?«
Sie nickte. »Ich sehe dieses Bild klar und deutlich, obwohl es für Sie sicher etwas melodramatisch klingt.«
»Ich wünschte, ich hätte es so beschreiben können«, entgegnete der Priester leise. »Schon oft suchte Mikhail Trost bei mir, doch ich wusste nie genau, wie ich ihm Mut zusprechen sollte. Ich betete zu Gott, dass er Mikhail helfen möge, Antworten auf seine Fragen zu finden, Raven. Vielleicht hat er Sie geschickt.«
Raven zitterte am ganzen Körper. Verbissen kämpfte sie gegen den Wunsch an, nach einer Verbindung zu Mikhail zu suchen, und gegen die Vorstellung, er könnte für immer verloren sein. Sie war dankbar für die Gesellschaft des Priesters. »Ich glaube nicht, dass ich Gottes Antwort auf Ihre Gebete bin, Pater. Im Augenblick würde ich mich am liebsten in einer Ecke zusammenrollen und weinen.«
»Sie können es schaffen, Raven. Sie wissen, dass er lebt.«
Sie trank einen Schluck Tee. Er war heiß und köstlich und wärmte sie ein wenig, vermochte jedoch nicht die schreckliche, eiskalte Leere zu vertreiben, die sich in ihrer Seele ausbreitete und sie zu verschlingen drohte.
Raven versuchte, sich auf die Unterhaltung mit dem Priester zu konzentrieren, der Mikhail so gut kannte und große Zuneigung zu ihm empfand. Langsam trank sie ihren Tee und kämpfte darum, nicht den Verstand zu verlieren.
»Mikhail ist außergewöhnlich«, bemerkte Pater Hummer in der Hoffnung, sie abzulenken. »Ich habe nie einen sanfteren, aufrichtigeren Mann getroffen. Sein Gerechtigkeitssinn ist sehr ausgeprägt, und er verfügt über einen eisernen Willen.«
»Ja, das habe ich bemerkt«, stimmte ihm Raven zu.
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»Davon gehe ich aus. Mikhail ist ein Mann, den sich niemand zum Feind machen möchte. Dennoch ist er sehr loyal und fürsorglich. Ich war dabei, als er dieses Dorf praktisch allein wieder aufbaute, nachdem eine Naturkatastrophe es fast völlig vernichtet hatte. Jeder einzelne Dorfbewohner liegt ihm am Herzen. Es ist wahre Größe in ihm.«
Raven kauerte auf dem Boden und wiegte sich hin und her.
Das Atmen fiel ihr schwer, sodass sie sich zu jedem Atemzug zwingen musste. Mikhail! Wo bist du? Der gequälte Schrei entrang sich ihrem Herzen. Wenn er ihr nur einen Augenblick lang antworten würde, nur einmal!
Doch Raven fand nur gähnende Leere. Absichtlich biss sie sich fest auf die Unterlippe und konzentrierte sich auf den Schmerz. Sie war stark! Sie hatte Verstand. Mochte sie auch noch so überzeugt sein, das Leben ohne Mikhail keine Sekunde länger ertragen zu können - sie würde
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