Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
sollte die ganze Wahrheit erfahren, jedoch nicht alles auf einmal.
Mikhail brachte sie in ein Gästezimmer und legte sie vorsichtig aufs Bett. »Wir sind nicht die untoten Vampire in den Gruselgeschichten, die du kennst. Wir lieben, wir glauben an Gott, wir arbeiten und dienen unserem Heimatland.
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Wir finden es abscheulich, dass ein menschlicher Mann dazu fähig ist, seine Frau oder seine Kinder zu misshandeln, oder dass manche Mütter ihre Babys vernachlässigen. Es widert uns an, dass die Menschen das Fleisch von Tieren essen. Uns ist Blut heilig, denn es spendet Leben. Wir würden die Menschen, die es uns geben, niemals dadurch ent-ehren, dass wir ihnen Leid zufügen. Es ist uns verboten, mit einem Menschen zu schlafen und danach sein oder ihr Blut trinken. Ich weiß, dass ich dein Blut niemals hätte nehmen dürfen. Es war falsch, aber nur, weil ich dir nicht vorher erklärt habe, was mit dir geschehen kann. Ich wusste, dass du meine Gefährtin bist und dass ich ohne dich nicht würde existieren können. Aber ich hätte mich selbst besser kontrollieren müssen. Diesen Fehler werde ich bis in alle Ewigkeit bereuen, doch es ist nun mal geschehen. Wir können es nicht wieder rückgängig machen.«
Mikhail bereitete neue Umschläge und legte sie auf Ravens Wunden. Er spürte ihre Angst und Abscheu. Sie hatte das Gefühl, verraten worden zu sein. Ihr Kummer war der seine, und Mikhail hätte am liebsten für sie beide geweint.
»Was ich mit dir getan habe, geschah nicht einfach nur aus sexuellem Verlangen. Es ging nicht um Sex, denn mein Körper erkannte dich als meine wahre Gefährtin. Ich konnte es nicht ignorieren. Um dir zu widerstehen, hätte ich mein Leben beenden müssen. Das Ritual verlangt einen Blutaustausch. Dabei geht es nicht um die Nahrungsaufnahme, sondern es ist ein sinnlicher Austausch, eine wunderschöne, erotische Bestätigung unserer Liebe. Als ich zum ersten Mal von deinem Blut kostete, geriet ich so in Ekstase, dass ich unabsichtlich zu viel trank. Ich hatte die Kontrolle verloren. Es war falsch, dich an mich zu binden, ohne dir die Konsequenzen zu erklären. Doch ich überließ es dir zu wählen, das kannst du nicht abstreiten.«
Raven blickte ihn starr an und sah den Kummer in seinen 248
dunklen Augen, die Angst um ihr Leben. Sie hätte ihn gern berührt, ihm die Anspannung genommen und ihm gesagt, dass sie mit ihrer neuen Situation fertig werden würde.
Doch ihr Verstand weigerte sich einfach zu akzeptieren, was Mikhail ihr erklärte.
»Ich hätte den Tod gewählt, wenn du mir erlaubt hättest, mit dir zu gehen.« Sanft strich er ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Das weißt du genau, Raven. Die einzige Möglichkeit, dich zu retten, bedeutete, dich zu einer von uns zu machen. Du wähltest das Leben.«
Ich wusste nicht, was ich tat.
»Wenn du es gewusst hättest, wärst du dann bereit gewesen, mich mit dir sterben zu lassen?«
Sie sah ihn eindringlich an, und ihre blauen Augen wirkten so gequält und verwirrt. Gib mich frei, Mikhail. Ich möchte nicht so hilflos hier liegen.
Mikhail deckte sie zu. »Du bist schwer verletzt und brauchst Ruhe, Blut und viel Schlaf. Bewege dich nicht zu viel.«
Ihr Blick strafte ihn. Mikhail berührte sanft ihr Kinn und bob den Zauber auf. »Antworte mir, Kleines. Wenn du gewusst hättest, was wir sind, hättest du mich dann sterben lassen?«
Raven rang um Fassung. Ein Teil von ihr konnte noch immer nicht glauben, was mit ihr geschehen war, ein anderer Teil bemühte sich, alles zu verstehen. »Ich habe dir gesagt, dass ich dich so heben und akzeptieren kann, wie du bist, Mikhail. Und ich meinte es auch so.« Raven war so schwach, dass sie kaum zu sprechen vermochte. »Ich weiß, dass du ein guter Mann bist. Es gibt nichts Böses in dir.
Pater Hummer meinte, ich dürfe dich nicht nach menschlichen Maßstäben beurteilen, und das tue ich auch nicht. Nein, ich hätte das Leben für dich gewählt. Ich liebe dich.«
Sie sah so unendlich traurig aus, dass Mikhail keine 249
Erleichterung empfinden konnte. »Aber?«, hakte er leise nach.
»Ich kann dich so akzeptieren, Mikhail, doch nicht mich.
Ich könnte niemals Blut trinken. Allein der Gedanke verursacht mir Übelkeit.« Sie befeuchtete sich die trockenen Lippen. »Kannst du mich wieder zurückverwandeln? Vielleicht durch eine Transfusion?«
Er schüttelte bedauernd den Kopf.
»Dann lass mich sterben. Nur mich. Wenn du mich liebst, musst du mich gehen lassen.«
Mikhails Blick
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