Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
blasse Gesicht seiner Gefährtin.
»Und im Dorf wird sich niemand auf den Straßen aufhalten.«
»Das Risiko ist groß, wenn wir in die Häuser der Menschen gehen müssen.« Jacques seufzte. Erwünschte, Mikhail um Rat fragen zu können.
»Störe ihn nicht«, sagte Gregori. »Sie braucht ihn jetzt mehr als wir. Wenn sie stirbt, verlieren wir Mikhail und die einzige Überlebenschance für unser Volk. Noelle war die letzte Frau, die uns geboren wurde, und das ist über fünf-hundert Jahre her. Wir brauchen diese Frau, damit unser Volk eine Zukunft hat. Außerdem brauchen wir unsere gesamte Schlagkraft, denn es ist noch nicht vorbei.«
Mikhail regte sich und schlug die Augen auf. »Nein, es ist tatsächlich noch nicht vorbei. Es gibt noch mindestens zwei andere Mörder, wenn nicht sogar vier. Eugene Slovensky.
Kurt von Halen. Ich weiß nicht, wer die beiden anderen Reisenden sind oder ob sie zu den Verschwörern gehören.
Ihre Namen sollten in Mrs. Galvensteins Gästebuch ver-zeichnet sein.« Mikhail fielen wieder die Augen zu. Er tauchte die Hände tief in Ravens Haar, als könnte er sie so von der Schwelle des Todes zurückholen.
Jacques beobachtete seinen Bruder, der seine Gefährtin liebevoll streichelte. »Können wir sie für einige Stunden in die Erde bringen, Gregori?«
»Das sollte den Heilungsprozess beschleunigen.«
Eric und Jacques gingen in den Keller, öffneten das Erdreich mit einem einzigen Befehl und schufen genug Raum 240
für zwei Personen. Sie trugen Raven vorsichtig hinunter, während Mikhail dicht an ihrer Seite blieb. Er sagte kein Wort, sondern konzentrierte sich ganz auf ihr Herz, ihre Lungen und darauf, das schwache, flackernde Licht ihres Lebenswillens zu bewahren.
Mikhail legte sich in die tiefe Grube und spürte die Heilkraft der fruchtbaren Erde, die sich wie eine wärmende Decke um ihn legte. Dann nahm er Raven in die Arme und zog ihren zierlichen Körper eng an sich.
Mit einer Handbewegung formte Mikhail einen Tunnel am Kopfende der Grube und befahl dann der Grube, sich zu schließen. Die Erde bedeckte seinen und Ravens Körper, und das Gewicht drückte sie tiefer in den Boden hinein.
Ravens Herz begann schneller und unregelmäßiger zu schlagen, obwohl Mikhails Herz noch immer einen ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus vorgab. Ich lebe! Wir werden lebendig begraben!
Ganz ruhig, Kleines. Wir entstammen der Erde. Sie heilt unsere Wunden. Du bist nicht allein, ich bin bei dir.
Ich kann nicht mehr atmen.
Ich atme für uns beide.
Nein, das halte ich nicht aus. Befiehl ihnen, dass sie aufhören sollen!
Die karpatische Erde verfügt über große Heilkraft.
Lass sie wirken. Die Karpatianer sind aus der Erde geboren. Es gibt nichts, wovor wir uns fürchten müssen. Wind, Erde, Wasser. Wir sind eins mit ihnen.
Aber ich bin keine Karpatianerin! In Ravens Seele herrschte blankes Entsetzen.
Wir sind eins. Dir kann nichts geschehen.
Raven zog sich von ihm zurück, begann, verzweifelt gegen die Erde anzukämpfen, und brachte sich damit in 241
Lebensgefahr. Mikhail sah, dass es sinnlos war, sie zu beschwichtigen. Es war ihr nicht möglich, die Erde zu akzeptieren, die sich über ihr schloss. Sofort befreite er sie aus der Grube und stieg mit ihr auf. Dann beruhigte er ihren Herzschlag und hielt sie tröstend in den Armen.
»Das habe ich befürchtet«, sagte er zu Jacques, der sich noch im Kellergewölbe aufhielt. »Zwar fließt karpatianisches Blut in ihr, doch ihr Bewusstsein hat noch seine sterblichen Grenzen. Für sie ist die Erde gleichbedeutend mit ihrem Grab. Sie kann den heilenden Schlaf nicht annehmen.«
»Dann müssen wir die Erde eben zu ihr bringen«, antwortete Jacques.
»Sie ist so schwach, Jacques.« Mikhail hielt Raven fest an sich gedrückt, und in seinen Zügen spiegelte sich tiefe Trauer. »Was man ihr angetan hat, ist so sinnlos.«
»Ja, das stimmt, Mikhail«, erwiderte Jacques ruhig.
»Ich war so selbstsüchtig und bin es noch immer. Ich hätte ihr erlauben sollen, ihren Frieden zu finden, aber ich konnte es nicht über mich bringen. Ich wäre ihr in den Tod gefolgt, Jacques, bin mir aber nicht sicher, ob ich die Welt still und leise verlassen hätte.«
»Und was wäre dann aus uns geworden? Sie ist unsere einzige Hoffnung. Und wir müssen hoffen können, Mikhail, sonst halten wir nicht mehr lange durch. Wir vertrauen dir, wir glauben, dass du die Antworten auf die Fragen unseres Volkes findest.« Jacques blieb an der Kellertür stehen. »Ich hole eine
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