Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
musste Aidan in ihrer Nähe wissen.
Wahnsinn! Offenbar wandten sich nun auch ihre eigenen Gedanken gegen sie. Sie brauchte Aidan, seine Berührung, seinen Trost.
Marie erschrak, als sie die Verzweiflung in Alexandrias Augen sah. Sie warf Stefan einen besorgten Blick zu. Aidan musste seiner Gefährtin sofort helfen, denn der Kampf, der in ihrem Innern zu toben schien, verursachte ihr offenbar große Qualen. Mit Tränen in den Augen kniete sich Marie neben Alexandria und legte der jungen Frau den Arm um die Schultern.
»Lass mich dir helfen, Alexandria«, bat die Haushälterin leise.
»Was könntest du schon tun?«, fragte Alexandria resigniert.
»Niemand kann mir helfen. Er wird mich niemals gehen lassen.« Sie warf Marie einen flehenden Blick zu. »Oder?«
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Maries Schweigen war Antwort genug. Sie spürte deutlich, dass Alexandria vor Angst zitterte. »Aidan ist ein guter Mann, der dich nur beschützen will. Vertraue ihm.«
»Tust du es ?«
»Ich würde ihm mein Leben und das meiner Kinder anvertrauen«, erklärte Marie aufrichtig.
»Ja, aber er verlangt auch von dir nicht die Dinge, die er von mir will, nicht wahr?«, sagte Alexandria bitter. »Er würde alles tun, um mich hierzubehalten, sogar meine Sinne verwirren, damit ich nicht mehr weiß, was Wirklichkeit ist und was nicht.«
Ohne Vorwarnung sprang Alexandria auf und hätte Marie beinahe umgeworfen. Sie stürzte zur Tür, während Stefan ihr eine Warnung zurief. Marie schrie nach Aidan. Es gelang Alexandria, die schwere Holztür zu öffnen, und sie rannte hinaus in die mörderische Sonne.
Tausend spitze Nadeln stachen Alexandria in die Augen, und auf ihrer Haut bildeten sich kleine Brandblasen, während Rauchsäulen um sie herum aufstiegen. Alexandria wusste rieht, ob sie vor Schmerz schrie oder weil Aidan ihr die Wahrheit gesagt hatte. Die Qualen, die ihr das Sonnenlicht verursachte, konnten nicht das Ergebnis einer Hypnose sein.
Stefan riss sich das Hemd vom Leib und bedeckte damit Alexandrias Kopf. Dann hob er sie auf die Arme und trug sie zurück ins Haus. Schluchzend streckte Marie die Arme nach Alexandria aus, doch Aidan war schneller. Er nahm sie Stefan ab und drückte sie an seine Brust. Einen Augenblick lang herrschte völlige Stille, als Aidan seinen Kopf sanft an Alexandrias Haar schmiegte. Sein Herz klopfte zum Zerspringen.
»Nie wieder«, flüsterte er. Nie wieder werde ich zulassen, dass du dich mir so widersetzt, cara. Er wiederholte die Worte in Alexandrias Gedanken und meinte sie todernst. Aidan hatte Angst um sie und war außer sich vor Wut über sich und Alexandrias Tat.
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Die verschiedensten Gefühle tobten in seinem Innern, bis er kaum noch in der Lage war, sie zu beherrschen.
Alexandria spürte seinen Herzschlag. Aidans Arme umfingen sie wie stählerne Fesseln.
»Ich stehe in deiner Schuld, Stefan«, sagte Aidan schlicht. Seine Stimme klang so ruhig und gefasst wie immer, sodass ihm sein Zorn nicht anzumerken war.
Aidan wandte sich um und war kurz darauf verschwunden.
Alexandria hörte, wie die Kellertür zuschlug. Aidan eilte durch den schmalen Gang zur unterirdischen Kammer, er selbst aber machte kein Geräusch. Überhaupt keins. Er schien nicht einmal zu atmen.
Alexandria hielt so still wie möglich. Die Brandwunden und Blasen auf ihrer Haut verursachten ihr große Schmerzen. Aidan achtete darauf, die verbrannten Hautpartien nicht zu berühren, um ihr nicht noch größere Qualen zu bereiten. Aber Alexandria war alles gleichgültig geworden. Sie wusste, dass etwas Schreckliches geschehen würde. Aidan, der sonst immer so ruhig und überlegt handelte, schien endgültig die Kontrolle verloren zu haben.
Die Tunnelwände verschwammen vor ihren Augen, und wenig später legte Aidan sie vorsichtig aufs Bett und wandte sich ab.
Alexandria setzte sich auf. »Du bist sehr wütend auf mich«, stellte sie leise fest.
Aidan antwortete nicht, sondern begann stattdessen, Kräuter in einer Achatschale zu zerreiben, sodass ihr Aroma den Raum erfüllte.
Dann zündete er Kerzen an, deren Duft sich mit dem der Kräuter mischte.
Alexandria schluckte schwer und hob trotzig das Kinn.
»Ich habe keine Angst vor dir, Aidan. Was kannst du mir schon tun? Mich töten? Ich glaube, dass ich bereits tot bin. Wenn nicht, führe ich jedenfalls ein Leben, an dem mir nichts liegt. Wirst du mir Joshua wegnehmen? Ihn bedrohen oder ihm etwas antun? Ich habe deine Gedanken gelesen und glaube nicht, dass du dazu fähig bist«, behauptete sie
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