Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
vertrieben wurden. Das Ritual dauerte einige Zeit, doch Alexandria hielt die telepathische Verbindung aufrecht. Sie weigerte sich, ihren Platz an Aidans Seite aufzugeben, obwohl sie wusste, dass Gregori ihre Anwesenheit und ihr Misstrauen spürte. Doch sie sorgte sich mehr um Aidans Sicherheit als um Gregoris verletzte Gefühle.
Allmählich kehrte Gregori in seinen Körper zurück. Die Anstrengung des Heilungsprozesses zeichnete sich deutlich in seinen Zügen ab. Dennoch öffnete er wie selbstverständlich sein Handgelenk und hielt es Aidan hin.
Aidan zögerte, wusste er doch, dass Gregori ihm mehr anbot als bloße Erneuerung seiner Kräfte. Wenn er das Blut des Heilers annahm, würde er mit ihm verbunden sein und ihn aufspüren können, falls es erforderlich sein sollte. Rubinrote Tropfen perlten auf Gregoris kräftigem Arm, den er Aidan auffordernd entgegenstreckte. Seufzend fügte sich der Jäger in das Unvermeidliche. Er brauchte Nahrung, und Alexandria wartete zu Hause auf ihn, damit er auch sie stärkte.
»Dieses Land ist auf seine Art schön, nicht wahr?« Gregori erwartete keine Antwort und ließ sich nicht anmerken, ob der Blutverlust ihm etwas ausmachte. »Zwar ist es nicht so wild und frei wie die Berge unserer Heimat, doch es bietet viele Möglichkeiten.«
Er verzog keine Miene, als Aidan die Zähne tiefer in sein Handgelenk senkte.
Ungekannte Kraft strömte in Aidans Körper. Gregori war älter als die meisten anderen Karpatianer, die Essenz seines Lebens viel stärker als die der Jüngeren. Sein Blut belebte Aidan sofort, wischte die Erschöpfung fort und verlieh ihm mehr Energie, als er je zuvor besessen hatte. Respektvoll und sorgfältig schloss er die Wunde.
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»Ich stehe in deiner Schuld, Gregori«, sagte Aidan feierlich.
»Du brauchtest meine Hilfe nicht, Aidan. Ich habe dir die Aufgabe nur ein wenig erleichtert. Die Schutzzauber, mit denen du das Kind belegt hast, wären stark genug gewesen, dir auch ohne den Nebel genügend Zeit zu verschaffen. Und auch ohne mich hättest du dem Tageslicht in deinem körperlosen Zustand standhalten können.
Du schuldest mir nichts, Aidan. Mit ist in meinem langen Leben das Glück zuteil geworden, einige wenige Männer meine Freunde nennen zu dürfen. Du bist einer von ihnen.« Gregoris Stimme schien bereits aus weiter Ferne zu erklingen.
»Komm mit mir, Gregori«, bat Aidan. »Sei unser Gast. Es könnte dir helfen.«
Gregori schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass ich es nicht aushalten könnte. Ich brauche die Freiheit der Berggipfel. Es ist meine Art. Ich habe einen Ort gefunden, weit entfernt von hier, an dem ich ein Haus bauen und auf meine Gefährtin warten werde.
Denke an dein Versprechen.«
Aidan nickte. Er spürte Alexandrias Gegenwart, die ihm Trost und Wärme spendete.
»Kümmere dich um das Kind, Aidan, und um deine Gefährtin.
Selbst aus der Entfernung spüre ich, wie sehr sie sich um dich und den Jungen sorgt. Ich weiß auch um ihren Hunger. Verschwende deine Zeit nicht mit Sorgen um mich. Ich gebe schon seit vielen Jahrhunderten selbst auf mich Acht.« Gregoris Gestalt begann bereits, zu schimmern und sich in Nebeltropfen aufzulösen. Seine Stimme klang eigenartig hohl, aber dennoch melodisch. »Du hast heute eine große Leistung vollbracht, Aidan. Nicht viele Karpatianer wären dazu im Stande gewesen. Du hast viel gelernt.«
Aidan beobachtete, wie Gregori verschwand. Die Nebelschwaden trieben in den Wald hinein und lösten sich allmählich auf. Gregoris Lob erfüllte ihn mit Stolz, beinahe so, als hätte er das Kompliment von seinem Vater empfangen, den er sehr verehrte. Gregori, der mächtige Heiler, der die Einsamkeit bevorzugte und nur selten den 355
Kontakt zu seinem Volk suchte, hatte ihn seinen Freund genannt.
Aidan fühlte sich sehr geehrt.
Geduldig und mit großer Sorgfalt entwirrte Aidan das Netzwerk der Bannsprüche, die auf Joshua lagen, und hob den Jungen dann vorsichtig aus dem Kofferraum.
Aidan trug den Kleinen zu einer mit weichem Moos bedeckten Stelle unter einer großen Kiefer und legte ihn sanft auf den Boden.
Zärtlich strich er dem Jungen die blonden Locken aus der Stirn. Es geht ihm gut, Alexandria. Er schläft tief und fest. Ich werde ihn aufwecken, wenn wir zu Hause sind. Dann können wir ihm helfen, die Geschehnisse zu verarbeiten.
Beeil dich. Ich möchte ihn sehen und in meinen Armen halten. Und Marie kann kaum glauben, dass Josh tatsächlich außer Gefahr ist.
Alexandrias Stimme klang freudig,
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