Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
doch Aidan hörte auch die Erschöpfung. Ihr schwanden allmählich die Kräfte.
Besorgt ließ Aidan den Jungen schlafen und kehrte zum grausigen Schlachtfeld zurück. Er musste den Vampir für alle Zeiten zerstören und die Spuren des Kampfes vernichten. Das Herz und der Körper des Untoten mussten zu Asche verbrannt werden.
Aidan blickte zum Himmel und baute elektrische Spannung auf, die sich in grell zuckenden Blitzen entlud. Er schleuderte einen Blitz auf die Überreste des Vampirs und ließ ihn brennen, bis nur noch etwas Asche übrig blieb. Plötzlich erklang ein schauerliches, bösartiges Kichern.
Sofort sah sich Aidan wachsam um. Er suchte die Umgebung, die Bäume und den Himmel nach verborgenen Fallen ab und achtete auf alle verdächtigen Geräusche. In seinen Gedanken hielt Alexandria den Atem an. Dann hörte er es. Ein leises Rascheln, schleichend und kaum wahrnehmbar, wie von Schuppen, die über Kiefernnadeln glitten.
Joshua! Die erschreckende Erkenntnis traf Alexandria und Aidan beinahe gleichzeitig.
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Aidan bewegte sich schneller, als er es in all den Jahrhunderten seines Lebens je vermocht hatte, als er die Lichtung überquerte, um zu dem Baum zu gelangen, unter dem Joshua schlief. Blitzartig griff er nach der Schlange und riss sie von ihrer Beute fort. Die Kreatur zischte und ringelte sich um Aidans Arm. Dann schlug sie die Giftzähne tief in seinen Handballen. Immer wieder biss die Schlange zu und spritzte ihr Gift in Aidans Körper. Alle Instinkte des Tieres waren nur darauf gerichtet, dem Willen des toten Vampirs zu gehorchen. Aidan zerriss die schreckliche Kreatur und warf die Uberreste in die Flammen.
Dann setzte er sich neben Joshua auf das weiche Moos und nahm den Jungen in die Arme. Sorgfältig suchte er Josh nach Wunden ab, um sich zu vergewissern, dass ihm nichts geschehen war. Dann wartete er auf die Wirkung des Schlangengifts. Binnen weniger Minuten fiel ihm das Atmen schwer. Ihm wurde zwar auch übel, aber es war bei weitem nicht so schlimm, wie er erwartet hatte.
Aidan brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass Gregoris Blut das Gift in seinen Adern unschädlich machte. Er spürte den Aufruhr in seinem Körper, doch Gregoris Lebensessenz war stärker als alles, was der Vampir je hätte hervorbringen können. Nach einigen Minuten ging es Aidan wieder gut. Herz und Lungen arbeiteten normal, und Aidans Körper befreite sich über die Haut von dem Schlangen-gift.
Er hob Josh auf die Arme und schwang sich mit ihm in die Lüfte.
Sehnsüchtig machte sich Aidan auf den Weg nach Hause zu seiner Gefährtin. Kaum war er auf dem Balkon im zweiten Stock gelandet, als Alexandria auch schon versuchte, Josh in die Arme zu nehmen.
Sie schwankte zwischen Lachen und Weinen.
»Du hast es geschafft, Aidan! Ich kann es kaum glauben!«
Alexandria war blass und zitterte vor Erschöpfung.
Aidan hörte, wie angestrengt ihr Herz um jeden Schlag rang. Sie brauchte dringend Blut, doch er widerstand der Versuchung, sie auf 357
der Stelle mit sich zu nehmen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.
Stattdessen legte er ihr das schlafende Kind in die Arme.
»Sieh dir sein Gesicht an. Mein armer Josh!« Alexandria weinte, und ihre Tränen fielen auf Joshuas geschwollene Wange. »Oh, Aidan, sieh ihn dir an.«
»Ich finde, er sieht wunderschön aus«, sagte Aidan sanft, und legte Alexandria den Arm um die Taille. Er sorgte dafür, dass der größte Teil von Joshuas Gewicht auf ihm ruhte. »Komm, wir legen ihn ins Bett und wecken ihn auf.« Marie und Stefan hasteten die Treppe hinauf, um auch bei Josh zu sein. Aidan spürte Alexandrias Hunger, und seine karpatianische Natur verlangte danach, für das Wohlergehen seiner Gefährtin zu sorgen. Joshua befand sich in Sicherheit. Nun musste Alexandria wieder zu Kräften kommen.
»Oh, Marie, sieh dir sein Gesicht an!«, rief Alexandria. »Das Ungeheuer hat ihn geschlagen.«
Marie nahm Joshua laut schluchzend in die Arme, und auch Stefan musste den Jungen fest an sich drücken.
»Es geht ihm gut, er schläft nur«, versicherte Aidan. Seine Sorge galt im Augenblick allein Alexandria. »Wir legen ihn ins Bett und wecken ihn auf. Wir sagen ihm, dass man ihn entführt hat, um Geld zu erpressen. Joshua wird die Erklärung glauben und auch verstehen, warum er Leibwächter braucht, falls es noch einmal erforderlich sein sollte.«
Stefan trug Joshua in den kleinen Raum neben seinem und Maries Schlafzimmer. Marie zog ihm den Pyjama an und kühlte sein blaues Auge sanft
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