Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
»Lieber Himmel, du bist sogar in meinem Kopf! Glaubst du wirklich, mich davon überzeugen zu können, dass es ganz normal ist, Telepathie zu benutzen? Dass du immer weißt, was ich gerade denke?«
»Für einen Karpatianer ist das nichts Besonderes. Du bist keine Untote, cara, du bist eine karpatianische Frau. Und meine Gefährtin.«
»Hör auf, ich kann es nicht mehr hören«, wies Alexandria ihn zurecht.
»Ich werde es dir immer wieder sagen, bis du den Unterschied begreifst.«
»Ich begreife nur, dass du mich verwandelt hast und dass ich eigentlich tot sein sollte. Es ist widernatürlich, jahrhundertelang zu leben und andere zu töten, um selbst zu überleben.«
»Sterbliche töten Tiere, um sie zu essen. Und außerdem töten wir nicht, wenn wir Blut brauchen. Nur Vampire töten. Einen unschuldigen Sterblichen zu töten, ist den Karpatianern verboten, und wenn sie es doch tun, verdammt der Mord ihre Seele«, erklärte Aidan geduldig. »Du brauchst dein neues Leben nicht zu fürchten.«
»Ich habe kein Leben mehr.« Alexandria ging langsam auf die Tür zu, ohne Aidan aus den Augen zu lassen. »Du hast es mir genommen.«
Aidan stand mitten im Zimmer, während Alexandria nur noch wenige Schritte von der Tür entfernt war. Doch als sie nach der Türklinke greifen wollte, schlossen sich seine Finger um ihr Handgelenk. Er versperrte ihr den Weg in die Freiheit.
Alexandria blieb still stehen. »Sagtest du nicht, ich sei keine Gefangene?«
»Warum lehnst du meine Hilfe ab. Wenn du das Zimmer verlässt, ohne deinen Hunger gestillt zu haben, wird es dir nur noch schlechter gehen.«
Sie spürte Aidans Wärme und sehnte sich plötzlich nach seiner Umarmung. Entsetzt stieß sie ihn von sich. »Lass mich in Ruhe. Ich möchte bei Joshua sein. Außerdem brauche ich Zeit zum 164
Nachdenken und will dabei allein sein. Wenn du mich tatsächlich nicht gefangen hältst, dann lass mich gehen.«
»So kannst du dich Joshua nicht zeigen. Du bist über und über voller Erde und Blut.«
»Wo ist deine Dusche?«
Nach kurzem Zögern beschloss Aidan, ihr nicht zu sagen, dass sie nicht zu duschen brauchte, wenn sie nicht wollte. Vielleicht war es besser, wenn sie sich vorerst so menschlich wie möglich fühlte.
»Du kannst dein eigenes Badezimmer im zweiten Stock benutzen.
Deine Kleidung findest du in deinem Zimmer, und niemand wird dich stören. Alles schläft.« Aidan trat einige Schritte zurück und deutete auf die Tür zum Tunnel.
Alexandria eilte den unterirdischen Gang entlang und stürzte in den Keller. Sie musste einfach fort aus diesem Haus. Was sollte nur aus Joshua werden? Aidan zog sie immer tiefer in seine verrückte Welt hinein. Sie musste fliehen.
In ihrem aufgewühlten Zustand bemerkte Alexandria die elegante Umgebung kaum, als sie sich auf den Weg in den zweiten Stock machte. Marie hatte ihr Bestes getan, um Alexandrias Zimmer gemütlich zu gestalten und ihre Besitztümer so zu arrangieren, dass sie sich gleich heimisch fühlte. Doch Alexandria streifte nur schnell die schmutzigen Sachen ab, öffnete die Glastüren der Dusche und stieg hinein. Das Badezimmer glänzte makellos, als wäre es nie zuvor benutzt worden.
Alexandria drehte den Wasserhahn auf und stellte die Temperatur so heiß ein, dass sie es gerade noch ertragen konnte.
Dann hob sie das Gesicht den Wasserstrahlen entgegen und versuchte, sich zu entspannen. Sie war keine Vampirin, die Menschen ermordete. Joshua und sie gehörten auch nicht in dieses Haus. Erschöpft schloss Alexandria die Augen. Was sollte sie nur tun?
Langsam löste sie ihren geflochtenen Zopf, um sich die Haare zu waschen. Die feuchten Strähnen fielen ihr bis zu den Hüften, 165
während sie das Shampoo einmassierte. Wie sollte sie nur Joshua und sich aus dieser Situation befreien?
Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, da sie noch immer quälenden Hunger verspürte. Der würzige Geschmack von Aidans Blut lag ihr noch auf der Zunge, und ihr lief buchstäblich das Wasser im Munde zusammen. Alexandria brach in Tränen aus, die sich mit dem heißen Wasser vermischten, das über ihr Gesicht rann.
Nicht genug, dass sie von diesem schrecklichen Verlangen nach Blut gequält wurde, sie konnte es außerdem kaum ertragen, von Aidan getrennt zu sein. Wie von selbst schien ihre Seele nach einer Verbindung zu ihm zu suchen, und sie empfand nichts als bleierne Trauer, weil sie nicht bei ihm war.
»Ich hasse dich und das, was du mir angetan hast«, flüsterte Alexandria.
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