Karpfen, Glees und Gift im Bauch
immer heißen mochte, begegnete, würde sie rechtzeitig auf die andere Straßenseite wechseln. Blamieren wollte sie sich schließlich auch nicht. Die beiden Seniorinnen wackelten schweigend auf den Supermarkt zu. Kunni Holzmann träumte immer noch von einem mächtigen Push-up-BH. Retta Bauer dachte eher an ein paar knapp sitzende Unterhosen.
»Wassd was, Redda? Bevor mer do nei gänga, däd iech miech erschd a weng do außn umschaua wolln. Schau na her, wie dees alles su schee bliehd.«
»Bisd neigieri?«, wollte die Retta wissen.
»Na, dees ned, abber dees hams alles su schee angleechd. Die Haufn Bamm und Bisch, die wu do alle bflanzd worn sen! Einmalich! Und die Blumma blieha immer nu! Geh, laaf mer amol außen rum!«
»Um die Halln aa?«, wollte die Retta wissen.
»Warum ned? Mier ham doch Zeid! Schau ner, wie der Rasn gwachsn is!« Die beiden Damen umrundeten den Gebäudekomplex. Auf der rückwärtigen Seite der Lagerhalle machte sich ein Angestellter gerade daran, den üppig gewachsenen Rasen zu mähen. Er begrüßte die beiden: »Guten Tag, meine Damen, sehen Sie sich ruhig um!« Dann riss er an der Leine, die ins Innere seines Rasenmähers führte, und der Motor begann zu tuckern.
Die beiden Freundinnen grüßten freundlich zurück und gingen weiter. Plötzlich blieb die Kunni stehen und deutete entsetzt auf den Rasen.
»Was is, Kunni, hasd a Maus gsehgn?«
»Ja siehgsdn du den Flegg, do im Gras ned?«, empörte sich die Angesprochene, »alles vuller Bluud!«
»Bluud?«, höhnte die Retta. »Edz siehgsd wohl scho Gschbensder? Dees werd a Farb sei. Do schau hie, do vorn hams a Door rod ohgschdrichn.”
«Vorsicht, die Damen!« Der Rasenmähermann näherte sich. Sein lärmendes Utensil spuckte dünnen, blauen Rauch aus und verschluckte das frisch geschnittene Gras in seinem roten Plastikbauch.
»Wenn der numal vorbeikummd, is der Farbflegg suwieso resdlos weg«, stichelte die Retta und sah ihre Freundin süffisant an. Die griff energisch in ihre Handtasche und zog ein paar verschließbare Plastikbeutelchen heraus. Dann zog sie sich einen Latexhandschuh über die rechte Hand, bückte sich ächzend in Richtung Rasen und riss vorsichtig ein paar Grashalme aus, die mit der verdächtigen Feuchtigkeit besudelt waren.
»Wersd scho sehgn, dass dees Bluud is«, stellte Kunni überzeugt fest.
»Ha, Kommissar Leitmayr nimmt die Schbur am Dadord auf«, stichelte ihre Freundin erneut. »Die berühmde, scharfsinnige Brivaddedegdivin, Kunigunde Holzmann, lehrd dem Serienkiller das Fürchdn. Die Organisierde Griminalidäd zidderd! Kunigunde Holzmann wagd eine ersde Brognose des Dadhergangs: ›Mord im Fahrradschlauch, Däder durch Fendiel endwischd!‹«
»Lach na«, ließ sich die Kunni nicht beirren. »Mier wern ja sehgn, wer am End rechd had! Deim Badic jedenfalls, dem Lumb aus Groadzien, wär dees Bluud gor ned aufgfalln! Der wär wohrscheinli einfach neigsabbd! Do had si beschdimmd was Dragischs abgschbield!« Erneut näherte sich Motorenlärm.
»Achtung, meine Damen, ich bin schon wieder da!« Der spotzende Benzinrasenmäher fraß den letzten Rest des rot verfärbten Rasens in sich hinein.
»Danke, meine Damen! Ich wünsche noch einen schönen Tag und einen guten Einkauf!« Lärmend entfernte sich der Rasenmähermann wieder in die entgegengesetzte Richtung.
»Schau na nieber zur FORMA, der ganze Bargbladz is wie leergfechd. Nix los! Ka Kundschafd mehr!«
»Ja«, bestätigte die Kunni, »bloß der Geldmachers Hanni is nu fleißich. Jednfalls schdehd sei Audo aufm Bargbladz!«
Dass der Ford Focus von Johann Geldmacher noch auf dem Parkplatz stand, war den FORMA-Mitarbeitern auch schon aufgefallen, denn ihr Chef hatte sich für den Kirchweihsamstag entschuldigt. Er wollte zuhause, in aller Ruhe, seinen Bericht an die Geschäftsleitung fertigstellen. Er musste Freitagabend wohl zu Fuß nach Hause gegangen sein. Vielleicht brauchte er einfach frische Luft? Er schien wirklich unter Stress zu stehen! Dass er vergessen hatte, die Außentür abzuschließen, war bei ihm jedenfalls auch noch nie vorgekommen. Am Montag würde er ja wieder da sein!
*
Kunni und Retta kamen enttäuscht in der Schlossgartenstraße an. Es gab weder Push-up-BHs noch sonstige Unterwäsche im Sonderangebot. Stattdessen stritten sich die jungen Mütter um Pampers für jedes Babyalter. Draußen auf dem Parkplatz stopften die Väter die Windel-Großpackungen ins Auto, bis der Kofferraumdeckel fast nicht mehr schloss.
An der
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