Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela
Waren, übrigens nicht nur Schokolade, sondern auch Kuchen, Marmeladen und Liköre in den Regalen präsentierte. Alle Köstlichkeiten waren auf grünem Stoff platziert, der wiederum zu den rot-karierten Stoffen, die unterhalb der Regalböden angebracht waren, in einem anheimelnden, an Omas Küche erinnernden Kontrast stand. Eine Spanierin mit weißer Schürze lächelte uns freundlich an. Gu und ich unterhielten uns gerade darüber, welche Schokolade wir kaufen wollten, als wir hinter uns ein verlegenes Kichern hörten. Zwei junge Frauen standen hinter uns und eine von ihnen fragte mit breitestem amerikanischen Akzent auf Deutsch: »Kommen Sie aus Deutschland?« Wir bejahten und die Amerikanerin war komplett aus dem Häuschen. Sie erzählte uns, wie glücklich sie sei, wieder ihre Deutschkenntnisse anbringen zu können, wie viel sie verstehen würde und welche Freude wir ihr machen würden, dass wir nun mit ihr sprechen würden. Die Verkäuferin staunte nur noch angesichts der Redesalven, die auf uns »abgefeuert« wurden. Wir hatten Spaß daran, mit so wenig einen anderen Menschen glücklich machen zu können. Die beiden hatten auch Gefallen an diesem kleinen Laden gefunden und zum Abschied machten wir für die Zwei ein Erinnerungsfoto vor dieser Kulisse. Diese kleine Episode ist mir noch heute im Gedächtnis. Die junge Frau hatte keinerlei Berührungsängste, keine Scheu, zwei wildfremde Menschen anzusprechen. Mir imponierte das, mit zwanzig hätte ich das auf keinen Fall gemacht, es sei denn, ich hätte einen sehr triftigen Grund gehabt. Auch wenn viele in meiner Umgebung das nicht von mir vermuten würden, niemals wäre ich so spontan gewesen.
Hungrig fassten wir den Entschluss der Landessitte entsprechend von Bar zu Bar zu ziehen und uns an Pinxtos satt zu essen. Es war ein Fest für den Gaumen und es machte ungeheuren Spaß das Treiben in den Bars dabei zu beobachten. Es war schön zu sehen, wie zwanglos sich Jung und Alt hier untereinander mischten. So ganz anders als es oft bei uns der Fall ist.
Gut gelaunt stürzten wir uns später wieder in das Gewühl. In der Nähe des Plaza del Castillo schlugen uns rhythmische Klänge entgegen, wir folgten ihnen. Auf dem Platz selbst war eine große Bühne aufgebaut, eine Gruppe bunt gekleideter Musiker und Tänzer spielte eine Art afrikanische Musik. Sie war mitreißend und wild. Eine schwarze Tänzerin bewegte sich dazu in einem unglaublichen Rhythmus. Ihr gesamter Körper schien unter Strom zu stehen. Ihre Hüften kreisten und ihr runder, wunderbar geformter Po strahlte Sinnlichkeit aus. Die ganze Gruppe strahlte eine solche Energie aus, dass der Funke schnell auf das Publikum übersprang. Wir klatschen mit und feuerten mit Zurufen an. Ein Highlight jagte das andere, ein wahrer Instrumenten- und Tanzregen wurde dargeboten. Von Afrika wanderten sie thematisch nach Australien. Didgeridoo-Klänge durchpulsten den Platz, das Instrument der australischen Ureinwohner entfaltete seine Mystik. Dieses unverhoffte Konzert riss uns mit. Am Ende mischten sich alle Tänzer unter das Publikum und forderten zum Mittanzen auf. Es war ein wildes Durcheinander, Lebensfreude pur schwang durch die Menge. Vom Rand des Platzes schauten viele lächelnd zu, andere schüttelten den Kopf. Wir empfanden es einfach nur als überraschendes Geschenk. Ein wenig später schauten wir auf einer Bank sitzend den Strahlen der Abendsonne zu, die sich noch ihren Weg über die Dächer der Häuser rund um den Platz suchten. Es war ein magischer Tag! Im Hotel sanken wir glücklich und zufrieden in unsere Kissen und schliefen sofort ein.
4. Pilgertag, Freitag, 26. Mai 2006
Pamplona - Puente la Reina
Um 6.45 Uhr verließen wir das Hotel. Es war schön anzusehen, wie die Stadt langsam erwachte. Im dämmerigen Licht der Morgensonne zogen einige wenige Jogger ihre Runden. Mehr ältere als jüngere Menschen waren schon so früh auf den Beinen, nur wenige Autos waren auf den Straßen unterwegs, der eine oder andere Kiosk verkaufte seine frisch gedruckten Tageszeitungen, nichts Hektisches haftete dieser frühen Stunde an. Gu und ich liebten diese Zeit am frühen Morgen. Die Eindrücke waren jedes Mal unterschiedlich, aber diese unvergleichliche Ruhe verbunden mit den ersten aufkommenden Aktivitäten von Menschen und Tiere machten diese Stunde zu etwas Besonderem.
Auf dem Weg hinaus aus Pamplona kam uns ein Pilger aus der anderen Richtung entgegen. Wir wunderten uns. Erst später verstanden wir, dass
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