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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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wurde dies, als wir in einem Café am Plaza del Castillo Platz genommen hatten. Bei meinen früheren Reisen hätte ich mich in so einer Situation nur wohl gefühlt, wenn mein Äußeres der eleganten Stadtatmosphäre und den schönen Spanierinnen »Rechnung getragen« hätte, wenn ich konform gegangen wäre. Wie sehr genoss ich es jetzt trotzdem, in Ruhe den x-ten Kaffee zu trinken, Pinxtos, ähnlich den Tapas, zu essen und sich von den kräftigen Mittagsstrahlen der Sonne bescheinen zu lassen. Woran lag das auf einmal? Begann ich schon eine andere Art von Selbstsicherheit zu gewinnen, die sich mehr auf das Innere als auf das Äußere begründete?
    Erni und Toni trafen wir auch wieder, keine zwei Tische von uns entfernt, frönten auch sie den fantasievollen kulinarischen Häppchen. Beide wollten aber nach der Pause weiter bis in den nächsten Ort, nach Cizur Menor. Sie strahlten eine große Energie aus, auch beim Wandern machten sie einen konditionell hervorragenden Eindruck, obwohl sie deutlich älter waren als wir. Toni war lang aufgeschossen und von drahtig-hagerer Statur, seine Frau war kleiner, rundlicher und hatte einen sehr großen Busen. Beide, vor allem aber Erni, hatten viele Lachfältchen und wettergegerbte Gesichter. Sie erzählten uns, das sie auch zu Hause so oft wie möglich wandern würden.
    Das Zimmer im Hotel war toll, ruhig, da zu einem kleinen Innenhof gelegen, sauber und mit einer großen Dusche ausgestattet. Was sonst so selbstverständlich für mich war, empfand ich jetzt als puren Luxus: Saubere Handtücher statt meines eigenen leicht feuchten Handtuchs, gestärkte, blitzsaubere Bettwäsche, eine Toilette und Dusche nur für uns allein. Nach Duschen und Wäschewaschen sowie dem üblichen Pflegeprogramm mit Tigerbalsam hielten wir erst einmal Siesta. So ein Mittagsschläfchen war für uns beide etwas ganz Fremdes, umso schöner war es, den hiesigen Landessitten einfach mal für ein oder zwei Stunden zu folgen.
    Gegen halb vier setzten wir zu unserem zweiten Erkundungsgang an. Die erste Station war die Post. Gu und ich hatten im Hotel noch mal aussortiert. Fast meinen gesamten Kulturbeutel mistete ich bis auf das Allernotwendigste aus, ein weiteres T-Shirt und meine warme Wanderhose wanderten in das Paket. Gu entledigte sich seiner langen Unterhosen und einiger Nahrungsvorräte, die er vorher für absolut notwendig gehalten hatte. Wegen der stets drohenden Unterzuckerung hatte er Unmengen an Studentenfutter und Müsliriegeln für uns mitgeschleppt. Über drei Kilo wog das Paket und machte uns um fast dreißig Euro ärmer. Wären wir nur vorher schlauer gewesen. Anscheinend waren wir aber nicht die einzigen Pilger, die mit diesem Anliegen in die Post gekommen waren. Wenigstens das war tröstlich und natürlich auch die Aussicht auf einen leichteren Rucksack!
    Wir schlenderten zurück in die Altstadt und gelangten wieder in die Nähe der alten Stadtmauer. Von dort oben hatten wir einen fantastischen Blick auf die Pyrenäen. Es war trotz des Windes sonnig und warm. Wir konnten die letzte Strecke unserer Tagesetappe vor uns sehen, immer noch waren Pilger unterwegs. Jeder hat eben seinen eigenen Rhythmus. In einer schönen, sehr einladend wirkenden Taverne mit Terrasse saßen wir noch ein Weilchen inmitten einer bunten Gesellschaft von Spaniern und Fremden unterschiedlichster Nation. Gu und ich wunderten uns, wie schnell wir jegliche Gedanken an Zuhause und die Arbeit hinter uns gelassen hatten. Die Reise war ein wahres Geschenk.
    Von der Taverne aus spazierten wir in Richtung Kathedrale, der Catedral de Santa Maria. Als wir eintraten, umfing uns Orgelspiel. Schnell setzten wir uns in eine Bank und hatten das Glück, noch zwei Lieder hören zu können. Der Organist probte anscheinend, denn es war keine Messe. Die Kirche hatte eine wunderbare Akustik und die Musik brauste durch unsere Ohren und schwang in uns mit. Die Stücke waren erhebend. Wieder musste ich weinen, obwohl ich glücklich war. »Hier bist du willkommen, alles ist gut«, flüsterte eine innere Stimme mir zu. Gu, der meine Stimmung spürte, nahm mich fest in den Arm und schaute mich liebevoll an.
    Zurück im Tageslicht stellten wir fest, dass jetzt immer mehr Menschen die Gassen bevölkerten, vor allem junge Leute waren zu sehen. An einem kleinen Platz standen wir plötzlich vor einem Schokoladengeschäft, das uns mit seiner Schaufensterauslage in das Innere lockte. Selten habe ich zuvor ein Geschäft erlebt, das so liebevoll seine

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