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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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auszogen. Was für eine Wohltat, die Füße aus den stinkenden und qualmenden Socken herauszuschälen! Der Vorplatz der Kirche war mit Rasen ausgestattet, in der Mitte war ein Brunnen. Der Pilgerweg ging an dieser Kirche vorbei und zahlreiche Pilger stoppten hier, um es uns gleichzutun, neues Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen oder das Gotteshaus zu besichtigen. Es ist wirklich bemerkenswert, dass wir trotz der zahlreichen Pilger nie das Gefühl hatten, es sind zu viele. Es konnte passieren, dass man sehr, sehr lange Zeit allein unterwegs war und niemanden sah, dann überholte man jemanden oder man wurde überholt, und schon war man wieder allein. Hatte man sich trotz gelber Pfeile und Muscheln verlaufen, brauchte man nur warten und irgendwann hörte man zuverlässig das Klappern eines Stockes. Fast jeder hatte entweder einen historisch anmutenden Wanderstab oder zwei moderne Wanderstöcke, so wie wir. Sie waren eine große Erleichterung, federten sie doch einen Teil des Rucksackgewichtes ab und entlasteten so beide Seiten gleichmäßig. Die Pause war belebend, beschwingt gingen wir über Feldwege weiter hinunter nach Estella. Der Ortseingang von Estella war sehr schön, wir liefen am Río Ega entlang, der sehr malerisch zwischen Wiesen und Häusern daher floss. Eine sehr alte Kirche mit deutlichen Verfallsspuren gefiel uns sehr, sie war leider nicht geöffnet. Kurz danach kamen wir an der Herberge von Estella vorbei. Vor der geschlossenen Tür hatte sich bereits eine Schlange gebildet. Wir hatten keine Lust uns dort anzustellen, zumal in unserem Wanderführer zu lesen war, dass es sich um eine sehr unruhige Großherberge mit eng beieinanderstehenden Betten handeln sollte. So beschlossen wir in ein Hostal zu gehen und fragten in einer kleinen Bar die Wirtin nach einem Tipp. Ausgestattet mit zwei Adressen zogen wir los. Im ersten Hostal, das etwas entfernt vom Stadtkern lag, hatten wir kein Glück. Das zweite Hostal hatte dann, obwohl wir zunächst auch hier eine Absage bekamen, ein Zimmer für uns. Anscheinend hatte unser enttäuschter Hundeblick das Besitzerehepaar erweicht. Das Zimmer war etwas plüschig, aber sauber und sehr ordentlich. Es lag zum Plaza de los Fueros, inmitten der Altstadt. Wir hielten es wie die Spanier und machten erst einmal eine lange Siesta. Das Einschlafen war für mich nicht so einfach, immer wieder durchzuckten Krämpfe meine Beine, im Liegen war es nur schwer zu ertragen. Irgendwann überkam mich aber die Müdigkeit und fast drei Stunden später wachte ich erst wieder auf. Gu schlief immer noch und ich kuschelte mich sanft an ihn. Es war so schön, seine Wärme zu spüren. Langsam wurde er wach, liebevoll nahm er mich in seine Arme. Wir streichelten uns gegenseitig, küssten uns zärtlich, dann zunehmend leidenschaftlicher, seit Münster hatten wir uns nicht mehr geliebt. Entweder waren wir zu müde gewesen oder wir waren nicht allein. Nun war niemand da, den wir stören oder der uns stören konnte. Jetzt zählten nur wir beide.
    Am späten Nachmittag saßen wir in einer Bar auf dem Platz vor unserem Hostal und schauten der Menge auf dem Platz bei ihren vielfältigen Beschäftigungen zu. Väter und Mütter spielten mit ihren Kindern. Junge Männer versuchten, hübsche Spanierinnen mit besonders coolem Auftreten zu beeindrucken. Paare kamen mit Tüten beladen vom Shopping zurück. Ältere Spanier trafen sich in unserer Bar auf ein Glas Vino Tinto. Auf einer großen Bühne, die bereits auf dem Platz aufgebaut war, wurden Tonproben abgehalten. Es war laut, bunt, quirlig und voller Leben.
    Wenig später schlenderten wir entspannt durch die Stadt. Irgendwann standen wir vor der spätromanischen Kirche San Pedro de la Rúa, die etwas erhöhter lag und deren Eingangsportal wir über eine sehr lange, breite und beeindruckende Treppe erreichten. Eine Besichtigung war leider nicht möglich, denn eine Hochzeitsgesellschaft versammelte sich gerade auf dem Vorplatz, um feierlich in das Gotteshaus einzuziehen. Alle waren sehr festlich angezogen und warteten aufgeregt auf das Eintreffen der Braut. Wir warteten mit, eine Hochzeit sieht man nicht alle Tage. Ich wurde sehr wehmütig, weil es mich an meine eigene Hochzeit vor vielen Jahren erinnerte. Aber nicht nur daran, sondern auch an das Scheitern meiner Ehe. Wie oft kam in derartigen Situationen danach das Gefühl bei mir auf, in einem ganz wichtigen Punkt meines Lebens versagt zu haben, auch vor Gott gescheitert zu sein. Natürlich hatte ich das

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